Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
Sadlers-Wells-Theater.
Dort wurde die Pantomime in der Regel zuerst gegeben, so daß Grimaldis Obliegenheiten in der Regel um halb neun Uhr zu Ende waren. Dann begab er sich in der Regel auf ein Stündchen in das Gasthaus »Zum Sir Middleton«, trank mit ein paar guten Bekannten ein Gläschen Wein, mit Wasser vermischt, und kutschierte dann in seinem Gig nach Finchley hinüber.
In diesem Gasthof war er hie und da mit einem gewissen George Hamilton zusammen, einem jungen Manne aus Clerkenwell, der ein Juweliergeschäft betrieb und ein sehr angenehmer Gesellschafter, aber leichter Vogel war, gern einen über den Durst trank, viel Geld durchbrachte, sich wenig um sein Geschäft bekümmerte, nicht gern davon hörte, daß er ein Geschäft betrieb, sondern sich lieber als vornehmer Herr aufspielte.–
Dabei war er ein gewandter Kaufmann und verdiente sehr gut in seinem Geschäft, allgemein ging aber die Rede, daß er weit mehr ausgebe, als er einnehme. Grimaldi war ein gutherziger Mensch und wollte ihn oft zum bessern lenken, aber Hamilton ließ von seinem leichtsinnigen Wandel nicht ab.
Hamilton hatte auch ein körperliches Gebrechen, es fehlte ihm nämlich der dritte Finger an der linken Hand. Er bemühte sich immer, dieses Gebrechen zuverstecken dadurch, daß er ein paar andere Finger einzog, so daß es, wenn er die Hand einmal sehen lassen mußte – was er nicht gern tat – dann immer aussah, als wenn er bloß zwei Finger hätte.
Grimaldi machte seine Bekanntschaft zuerst im Jahre 1808, seit Ostern 1809 traf er aber häufiger mit ihm zusammen. In der Zwischenzeit hatte Hamilton sich verheiratet und brachte, wie es damals bei den Gewerbetreibenden Brauch und Sitte war, häufig seine junge hübsche Frau mit ins Gasthaus.
Grimaldi achtete anfangs wenig darauf, bis ihm auffiel, daß sich mit Hamilton eine ernstliche Veränderung vollzog. Der junge Mann wurde heftig und reizbar, führte unzusammenhängende Reden, und schon in seinem Blick und seinen Mienen verriet sich ein höchst unruhiges Gemüt. Auch in seiner Kleidung hatte sich viel geändert, er hatte sich früher immer wie ein anständiger, in behäbigen Verhältnissen lebender Bürger getragen, entfaltete jetzt aber einen eigentümlichen Prunk, trug eine Menge Ringe und andere Schmucksachen, verletzte die anderen ehrsamen Bürger, die im »Sir Middleton« verkehrten, durch geringschätzige Reden über das Handwerk und dessen Betrieb, und geriet häufig in ernsten Wortwechsel darüber.
Seine Frau war darüber sichtlich sehr unglücklich. In ihrer Gegenwart nahm er sich freilich immer zusammen, trank auch nicht soviel wie sonst, wenn er allein einkehrte, hatte aber der Unarten noch übergenug an sich, daß sie, wenn sie sich unbemerkt wähnte, oft die bittersten Tränen weinte.
Eines Abends brachte er einen Kumpan mit, der durch sein Aussehen und Benehmen vom ersten Augenblicke an das lebhafteste Mißtrauen weckte, Hamilton stellte ihm Grimaldi vor, der sich aber, als er merkte,daß beide schon einen Rausch hatten, ablehnend gegen jede Unterhaltung verhielt und sich, sobald es unauffällig geschehen konnte, aus dem Gasthaufe entfernte.
Von da ab kamen die beiden Kumpane häufiger zusammen in dem »Sir Middleton«, und gar bald fiel es auf, daß Hamilton den Fremden immer dann mitbrachte, wenn er einen Rausch hatte. Niemand kannte denselben und niemand mochte ihn leiden. Die Stammgäste des Hauses steckten dann immer die Köpfe zusammen und schüttelten bedenklich und geheimnisvoll die Köpfe.
Eines Abends saß Grimaldi allein und in die Lektüre eines Zeitungsblattes vertieft in der Gaststube, als Hamilton in Begleitung seiner Frau und eben dieses Fremden auch eintrat, Hamilton war so berauscht, daß er sich kaum auf den Beinen halten konnte. Seine Frau hatte verweinte Augen, dagegen zeigte der Fremde ein höchst vergnügtes, doch um so häßlicher wirkendes Gesicht.
Grimaldi hielt sich das Zeitungsblatt so vor das Gesicht, daß ihn die drei Leute nicht sehen konnten, aber er merkte genau auf das Gesprächs das sie zusammen führten, Hamilton ließ Bier kommen, seine Frau bat ihn, doch lieber mit nach Hause zu gehen, er versprach es ihr, sobald er sein Glas ausgetrunken haben würde, war aber, als es vom Kellner auf den Tisch gesetzt wurde, bereits eingeschlafen.
Grimaldi hatte jetzt zum ersten Male den Namen des Unbekannten, Archer, gehört. Ein paar Minuten betrachtete nun dieser seinen in Schlaf versunkenen Kameraden, dann beugte er sich plötzlich zu
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