Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
dessen Frau hinüber und stieß sie mit dem Ellbogen an. Die Frau blickte erschrocken auf. Der Wicht blinzelte verächtlich nach dem Trunkenbolde hinüber, nahm ihre Hand unddrückte sie auf eine kaum mißzuverstehende Weise. Die Frau sprang entrüstet auf und warf Archer einen niederschmetternden Blick zu. Aber eine Stunde saß er nun mit verschränkten Armen da, wandte die Augen nicht vom Boden, raffte sich aber endlich auf und half der Frau, ihren betrunkenen Mann zu wecken.
Hamilton schüttete den Inhalt seines Glases hinunter, und nun entfernten sich die drei Leute wieder. Die Frau ging Archer sichtlich aus dem Wege und vermied es auch, ihn nur mit dem Arme zu streifen.
Der Auftritt hatte Grimaldi in unbeschreibliche Erregung versetzt. Er blieb eine ganze Stunde länger als sonst in dem Gasthause sitzen und ging ernstlich mit sich zu Rate, wie er sich Hamilton gegenüber verhalten solle. Zuerst hielt er es für das beste, Hamilton scharf ins Gebet zu nehmen, dann aber schien es ihm für geratener, erst mit seiner Frau über den Fall zu sprechen und ihrer Entscheidung das weitere Verhalten anheimzustellen. Seine Frau riet ihm, sich mit der Sache nicht weiter zu befassen, sondern es der Klugheit und dem Pflichtgefühl von Hamiltons Frau zu überlassen, ihren Mann auf die rechte Bahn zu führen und vor dem hinterhältigen Freunde zu warnen.
Das nächste mal traf er im »Sir Middleton« Hamilton allein, der ihm sogleich zunickte und sich erkundigte, ob er noch immer nach Finchley hinaus führe.
»Nein«, antwortete Grimaldi; »aber ich wollte, ich könnte es. Leider hält mich eine Verpflichtung in der Stadt davon ab.«
»Ich dachte, Sie führen alle Abende im Sommer hinaus«, warf Hamilton gleichgültig hin.
»Nein, alle Abende nicht, aber doch fünfmal in der Woche.«
»Fahren Sie morgen hinaus?« fragte Hamilton,»Morgen bestimmt«, antwortete Grimaldi, »in dieser Woche überhaupt jeden Abend, nur eben heute nicht.«
Darauf sagten sie einander gute Nacht und gingen auseinander.
Es kamen aber am andern Tage ein paar Kollegen von auswärts nach London und besuchten Grimaldi, so daß er auch an den nächsten beiden Tagen nicht die Fahrt nach der Stadt antreten konnte.
Am vierten Tage darauf aber, am 9. Juli, ging er wieder in den »Sir Middleton«, um vor der Heimfahrt noch ein Gläschen zu trinken. Da erinnerte er sich lebhaft an die unglückliche Frau und ihren leichtsinnigen Mann und erkundigte sich, ob etwa dieser zugegen sei. Man antwortete ihm, Hamilton hätte sich seit dem Abend nicht mehr sehen lassen, an welchem Grimaldi mit ihm zum letzten Male gesprochen hätte.
Als Grimaldi seine Zeche bezahlen wollte, sah er erst, daß er nur zwei Einpfundnoten bei sich hatte. Er gab dem Aufwärter eine, um sie wechseln zu lassen, und steckte die andere in die Westentasche. Es war seine Gewohnheit, Banknoten in einer Brieftasche bei sich zu führen, die er aber zu Hause hatte liegen lassen.
Der Aufwärter brachte ihm das Geld, das er herausbekam. Er bestieg sein Gig und fuhr ab. In Tottenham Court Road wurde er durch ein Geschäft und in Kentish Town durch einen Freund abgehalten, mit dem er ein halbes Stündchen verplauderte, so daß es fast Mitternacht geworden war, als er sich seiner Wohnung näherte.
Sechzehntes Kapitel
Ein Abenteuer mit Straßenräubern und dessen Folgen.
Es war eine schöne, sternhelle Nacht, und nach der am Tage herrschenden Hitze wehte ein recht erfrischendes Lüftchen. Grimaldi fuhr rascher als gewöhnlich, weil er besorgte, daß die Seinigen wegen seines langen Ausbleibens unruhig werden möchten. Plötzlich stand sein Pferd still.
An der Stelle, wo dies geschah, war eine Senkung, in der sich dann und wann Wasser ansammelte, und vor der Grimaldi manchmal zu halten pflegte, um langsam hindurch zu fahren. Er bückte sich vornüber, um sich zu überzeugen, daß er schon bei der bekannten Stelle angelangt sei, und hörte, während er so tat, einen leisen Pfiff.
Unmittelbar darauf sprangen hinter einer Hecke drei Männer hervor, von denen der eine dem Pferde in die Zügel fiel, die beiden anderen an das Gig herantraten, Grimaldi Pistolen vorhielten und sein Geld abforderten.
Ein paar Augenblicke lang saß er sprachlos da, rief aber gleich darauf:»Gnade, Ihr Herren, Gnade!« denn er hörte, wie die Räuber die Hähne ihrer Gewehre spannten, und wußte sogleich, daß er in ihre Hände gegeben war, denn wie hätte er denken können, gegen drei Bewaffnete aufzukommen?
»Es
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