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Dem eigenen Leben auf der Spur

Dem eigenen Leben auf der Spur

Titel: Dem eigenen Leben auf der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Bernhard
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das Neue mich mit seiner Fülle überwältigen könnte. »The moment I let go of it, was the moment I got more than I could handle.« (Alanis Morissette)
     
    Eine Behandlung machte es vor einigen Jahren erforderlich, die Werner Wicker-Klinik über zehn Jahre nach dem Unfall für einen kurzen stationären Aufenthalt erneut aufzusuchen. Viel hatte sich nicht verändert, aber ich war ein anderer geworden. Sehr viel alter Schmerz wollte ein letztes Mal empfunden werden, um danach endgültig freigelassen zu werden. Nach fünf Tagen wurde ich entlassen. Ein letztes Mal suchte ich den Raum der Stille auf und dankte Gott, dass ich manche negativen Gefühle leicht löschen konnte. Als könnte ich einen schweren Koffer endgültig zurücklassen, verließ ich Bad Wildungen glücklich und frei.
     
    Mental nehme ich jeden Tag liebevoll Abschied von Dingen, die mich belasten. Ich glaube, dass ich nach insgesamt 81 Tagen intensivem Erleben auf dem Jakobsweg, alle drei Wanderungen zusammen genommen, die Weichen für eine glückliche Zukunft gestellt habe. Die Freude darauf lässt mich in gespannter Erwartung ganz ruhig sein: Ich muss der Spur nur weiter folgen.
     

Bonus: Ans Ende der Welt
     
    Diesmal will ich beenden, was ich vor zwei Jahren versäumt habe. Ich will nach Finisterre. Und ich will meine Verabredung mit Roberto einhalten. Es macht nichts, dass wir uns nur lose verabredet haben, für mich gilt es, das allein zählt.
    Schon der Ruhetag in Santiago reißt mich aus meinem gewohnten Rhythmus. Es ist gar nicht so leicht, die Situation zu benennen, in der ich mich gerade befinde. Ich habe das Ziel erreicht, ich habe es geschafft. Ich bin angekommen. Dass sich unterwegs noch ein weiteres Ziel ergeben hat, verändert jetzt alles. Wichtig ist, dass ich die Konzentration nicht verliere, den Sinn für das, was ich mache. Um an den westlichsten Punkt Spaniens zu gelangen, muss ich mir ein neues Ziel setzen. Wieder lege ich alles in die Waagschale, mit weniger geht es nicht.
    Es regnet immer noch, als ich Santiago am nächsten Morgen in Richtung Westen verlasse. Noch nie war ich so viel Regen ausgesetzt wie während der letzten Wochen. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es weiter im Westen aufklaren wird — trotz der 50 verschiedenen Wörter, die es, wie sich alle erzählen, in Galicien für Regen geben soll.
    Es ist fast wie am ersten Tag, am Anfang steht ein Test. Das gerade Erreichte zählt nicht, es geht von vorne los. Will ich das wirklich?
    Auf dem Weg aus der Stadt hinaus verlaufe ich mich und finde erst über große Umwege die markierte Route. Meinen Hut lege ich auf meine Beine unter das Regencape. Ich weiß nicht, ob ich ihn schonen will, jedenfalls ziehe ich mir die Kapuze über und sehe wieder einmal aus wie zwölf. Als ich endlich weiß, wo ich mich befinde, bemerke ich, dass ich meinen Hut verloren habe. Ich drehe nicht um, er war nur als Sonnenschutz gedacht. Aber etwas anderes irritiert mich deutlich mehr. Ich sitze so weich, als ob der Rollstuhl eine Federung hätte.
    Richtig: der nächste platte Reifen. Diesmal ist es zur Abwechslung in einem Gewerbegebiet soweit. Der weiche Reifen lässt mich sanft laufen, die harte Felge aber sagt mir unmissverständlich, dass es nicht weitergeht.
    Der Angestellte des Heimwerkergeschäftes stellt mir hilfsbereit einen Stuhl unter das Vordach. Das Loch ist schnell gefunden, die Glasscherbe steckt noch im Mantel. Ungefragt nimmt mir der Mann den reparierten Reifen aus der Hand und füllt ihn mit Luft. So schnell war ich noch nie wieder bereit zur Weiterfahrt.
     
    Ich erzähle ihm, wo ich meine Wanderung begonnen habe und dass ich jetzt noch auf dem Weg nach Finisterre bin. Mit Tränen in den Augen berichtet er von seiner Frau, die Multiple Sklerose hat und seit Jahren im Rollstuhl sitzt. Sie habe den Weg auch immer gehen wollen, sich jedoch nie getraut. Heute Abend wird er ihr von mir erzählen, vielleicht ein neuer Anstoß?
    Er dankt mir für die Inspiration und schenkt mir zum Abschied eine Fotokopie der Straßenkarte. Dann weiß ich wenigstens, wo ich bin, falls ich einmal improvisieren muss.
    Es klart auf, seit über einer Woche scheint die Sonne zum ersten Mal. Völlig unerwartet sehe ich in einiger Entfernung eine mit einem Rucksack beladene Gestalt. Fange ich schon so stark zu träumen an, dass ich meine Wunschbilder real vor mir sehe? Ich juble innerlich. Die Zeit der Einsamkeit ist vorbei.
    Viele Gehöfte liegen hier verstreut auf beiden Seiten des Wegs. Anstelle

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