Ein heißes Wiedersehen
PROLOG
“Mehr gibt es dazu nicht zu sagen, Mutter. Nick Clayton ist Jimmys Vater, und er wird dafür bezahlen, dass er Marnie verlassen hat, als er von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Du wirst mich nicht davon abbringen können. Gleich morgen früh mache ich mich auf den Weg nach Jackson Hole, Wyoming.”
Lexi beendete ihr Telefongespräch und ging ins Wohnzimmer, wo ihr fünfjähriger Neffe auf dem Fußboden saß und fernsah. Sie betrachtete ihn einen Moment, während sie ihre langen blonden Haare mit einem Gummiband zu einem Pferdeschwanz zusammennahm. Der Junge hatte das Aussehen seiner Mutter – Marnies hellbraune Haare und blaugraue Augen. Freunde und Familienmitglieder hatten stets behauptet, dass man die beiden Mädchen glatt für Zwillinge hätte halten können, wenn Marnie nicht sechs Jahre älter als ihre Schwester Lexi gewesen wäre. Beide Mädchen waren groß und schlank gewesen und hatten stets die gleiche Kleidung getragen.
Marnie war eine gute Mutter gewesen. Was ihr und ihrem Sohn an materiellen Dingen fehlte, hatte sie durch Liebe und Aufmerksamkeit wettgemacht. Sie schien ihr Leben lang nach jemandem gesucht zu haben, der sie brauchte, jemanden, dem sie ihre Liebe geben konnte. In ihrem Sohn hatte sie diesen Menschen gefunden. Marnies Tod bedeutete einen tragischen Umbruch in Jimmys Leben. Sie hatte eine Lücke hinterlassen, die Lexi nun verzweifelt zu füllen versuchte. Ein Anflug von Traurigkeit überkam sie und bekräftigte sie gleichzeitig in ihrem Entschluss, ihr Vorhaben durchzuführen.
“Jimmy?” Beim Klang ihrer Stimme sah der kleine Junge auf. “Ich habe ein paar Dinge zu erledigen und muss eine Weile verreisen. Du bleibst solange bei Grandma. Sie fährt mit dir in den Zoo.” Lexi zwang sich zu einem ermutigenden Lächeln und gab sich Mühe, beiläufig und unbeschwert zu klingen. “Wäre das nicht toll?”
Sie packte einen Koffer für Jimmy und dann einen für sich. Natürlich war ihre Mutter gegen ihren Plan. Aber das war sie schon, seit Lexi diese Idee nach dem Tod ihrer Schwester vor vier Monaten zum ersten Mal erwähnt hatte. Keine der beiden Frauen war von ihrem Standpunkt abgerückt, und Lexi hatte entschieden, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Sie musste Jimmys Zukunft absichern und gleichzeitig herausfinden, was tatsächlich geschehen war.
Obwohl Marnies Tod technisch gesehen ein Unfall gewesen war, machte Lexi nach wie vor Nick Clayton dafür verantwortlich. Marnie war gezwungen gewesen, einen zweiten Job anzunehmen, um für ihren Sohn sorgen zu können. Auf der Fahrt zu diesem zweiten Job war sie bei einer Überschwemmung ertrunken. Sie hatte sich trotz der Warnungen, die Straßen nicht zu benutzen, auf den Weg gemacht. Und jetzt musste Lexi Marnies fünf Jahre alten Sohn großziehen. Sie liebte ihn wie ein eigenes Kind, und sie war darauf vorbereitet, den Mann zur Rechenschaft zu ziehen, von dem Marnie schwanger geworden war und der später jede Verantwortung abgelehnt hatte. Lexi würde diesen gewissenlosen Kerl auffordern, Alimente zu zahlen, damit Jimmy eine gute Ausbildung erhielt.
Erneut meldete sich ein leiser Zweifel, ob die Geschichte nicht wieder eine von Marnies maßlosen Übertreibungen gewesen sein könnte. Doch sofort schob sie diesen beunruhigenden Gedanken wieder beiseite. Bei etwas so Wichtigem hätte Marnie sicher nicht gelogen. Ganz bestimmt nicht …
1. KAPITEL
Während der Fahrt im Zubringerbus sah Lexi abwesend aus dem Fenster auf die vorbeiziehende Landschaft. Die übrigen Passagiere lachten und waren fröhlich. Sie freuten sich auf ihre tollen Ferien. Lexi nicht. Sich zu amüsieren war das Letzte, was sie im Sinn hatte. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen in der Hoffnung, damit ihre Kopfschmerzen zu lindern.
Zum ungefähr hundertsten Mal in den vergangenen vier Monaten ging sie die Fakten durch. Marnie hatte Nick Clayton während eines Aufenthaltes auf Claytons Via Verde Ferienranch kennengelernt. Sie hatten eine Affäre, zu der eine Reise nach Hawaii gehörte, und in dieser Zeit wurde Marnie schwanger. Als sie Nick davon erzählte, weigerte er sich, irgendeine Verantwortung zu akzeptieren. Da Marnie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, hatte sie zuerst Lexi und dann ihrer Mutter Colleen anvertraut, dass sie schwanger sei und der Vater des Kindes sie verlassen habe.
Colleen hatte ihrer Tochter die Schuld gegeben und gemeint, es sei nur ein weiteres Beispiel für Marnies wilden Lebensstil. Marnies und Lexis Vater war vor zehn
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