Dem Feuer zu nah
zu ändern, und sie musste sich damit abfinden. Irgendwann würde sie mit Jared reden müssen. Wenn sie nicht zu ihm ging, würde er wiederkommen, davon war sie überzeugt. Er war zäh und hartnäckig, das hatte sie gespürt, trotz des Maßanzuges und der Krawatte.
Sie musste sich entscheiden, was sie jetzt tun wollte. Und sie musste es Bryan erzählen. Er hatte ein Recht zu erfahren, dass sein Großvater tot war. Er hatte ein Recht, von dem Erbe zu erfahren. Aber heute Abend, nur heute Abend, wollte sie nicht mehr nachdenken, sich keine Sorgen mehr machen und keine Fragen mehr stellen.
Erst nach einer ganzen Weile wurde ihr bewusst, dass ihre Wangen feucht waren, dass ihre Schultern zitterten und ein Schluchzen in ihr aufstieg. Sie kauerte sich zusammen und legte den Kopf auf die Knie. „Oh, Daddy …”
2. KAPITEL
J ared hatte nichts gegen Farmarbeit. Er hatte keine Lust, sich damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber er scheute sich nicht, hin und wieder ein paar Stunden mitzuarbeiten. Seit er sein Haus in der Stadt zum Verkauf angeboten hatte und wieder auf die Farm gezogen war, sprang er ein, wann immer seine Zeit es erlaubte. Es waren Tätigkeiten, die man nie verlernte und mühelos wieder aufnahm, wenn auch mit Muskelkater. Das Melken, das Füttern, das Pflügen, das Aussähen.
Mit einem verschwitzten T-Shirt und alten Jeans bekleidet, versorgte Jared das Milchvieh mit Heu. Die schwarzbunten Kühe drängten sich um den Futterplatz. Ihre runden Flanken rieben sich aneinander, während sie mit wedelnden Schwänzen die Fliegen verjagten. Ihr Geruch erinnerte Jared an seine Jugend, vor allem an seinen Vater.
Buck MacKade hatte sich stets gut um sein Vieh gekümmert und seinen Söhnen beigebracht, in den Tieren nicht nur eine Einnahmequelle zu sehen, sondern sich auch für sie verantwortlich zu fühlen. Für ihn war die Farm sein Leben gewesen, und Jared wusste, dass auch Shane mit Leib und Seele Farmer war. Er fragte sich, was sein Vater wohl davon gehalten hätte, dass sein ältester Sohn sich für den Beruf des Rechtsanwalts entschieden hatte.
Wahrscheinlich hätte es ihn erstaunt, dass sein Junge jetzt Anzüge und Krawatten trug, Schriftsätze verfertigte, einen Terminkalender führte und vor Gericht auftrat. Aber Jared hoffte, dass Buck MacKade stolz gewesen wäre. Nach einer langen Woche am Schreibtisch und im Gerichtssaal ist dies keine schlechte Art, den Samstag zu verbringen, dachte er.
Shane pfiff eine Melodie vor sich hin und trieb die Nachzügler von der Weide zum Futterplatz. Jared ging plötzlich auf, dass sein Bruder so aussah, wie ihr Vater ausgesehen hatte. Staubige Jeans, staubiges Hemd, locker an einem Körper, der Jahre harter Arbeit erkennen ließ, und Haare, denen ein Besuch beim Friseur nicht schaden würde.
„Was hältst du von unserer neuen Nachbarin?”, rief Jared.
„Wie?”
„Die neue Nachbarin – wie findest du sie?”, wiederholte Jared und zeigte mit dem Daumen auf das Morningstar-Land.
„Ach, du meinst die schönste Frau der Welt.” Mit verträumtem Blick ging Shane zum Zaun. „Ich brauche einen Moment der Stille”, murmelte er und faltete die Hände auf dem Herzen.
Belustigt fuhr Jared sich mit den Fingern durchs Haar. „Sie ist eindrucksvoll.”
„Sie ist … Mir fehlen die Worte.” Shane verpasste einer Kuh einen liebevollen Klaps auf die Flanke. „Ich habe sie erst einmal gesehen. Bin ihr und ihrem Jungen auf dem Weg zum Markt begegnet. Ich habe mich etwa zwei Minuten mit ihr unterhalten, und seitdem träume ich von ihr.”
„Wie findest du sie?”
„Absolut hinreißend.”
„Könntest du mal für eine Minute zur Vernunft kommen, Bruder?”
„Ich kann es versuchen.” Shane half ihm, die Heuballen zu zerteilen. „Sie ist eine Frau, die allein zurechtkommt und nicht nach einem Mann sucht. Sie kann gut mit ihrem Sohn umgehen, das habe ich sofort bemerkt.”
„Ja, ich auch.”
„Wann?”, fragte Shane neugierig.
„Vor ein paar Tagen. Ich musste in einer rechtlichen Angelegenheit zu ihr.”
„So?” Shane grinste. „Und jetzt bist du zur Verschwiegenheit verpflichtet, habe ich recht?”
„Ja.” Jared holte den nächsten Ballen und zerschnitt das Band. „Was redet man so über sie?”
„Nicht viel. Wie ich gehört habe, war sie in der Gegend von Frederick und sah in der dortigen Zeitung die Anzeige für das Blockhaus. Kurz darauf kam sie hier an, kaufte das Land, meldete ihren Sohn in der Schule an und zog sich auf ihren Hügel
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