Dem Pharao versprochen
verlassen hat.«
Selkets Stimme klang traurig. Anchesenamun streichelte ihren Rücken.
»Das hat dir bestimmt das Herz gebrochen«, sagte sie mitfühlend.
»Na ja, mein Herz hält schon etwas aus«, meinte Selket. »Ich habe eine ganze Nacht geweint und mich gefragt, ob ich etwas Falsches getan hätte. Aber ein paar Tage später war ich irgendwie froh, dass es so gekommen war und ich keine Entscheidung treffen musste, ob ich auch aus Waset weggehen will. Das wäre mir nämlich wirklich schwergefallen.«
»Ich hätte dich nicht mehr gehabt«, ergänzte Anchesenamun. »Wie schrecklich!«
Selket lächelte. »Ich kann mir ein Leben ohne dich auch nicht vorstellen. Uns verbindet so viel.«
»Ja«, sagte Anchesenamun ernst. »Nichts soll uns trennen. Auch kein Mann. Ich werde Tut bitten, dass du meine Dienerin und Gesellschafterin wirst, dann können wir weiterhin zusammen sein.«
»Nichts wünsche ich mir mehr.« Selket errötete. Dann erzählte sie stockend: »Übrigens hat mir Duamutef eine Weile danach anvertraut, dass Paser Waset hauptsächlich deswegen verlassen hat, weil er Angst hatte, dass er in der Armee des Pharaos dienen soll. Offenbar waren schon Werber bei ihm zu Hause, und Pasers Vater fand die Idee nicht schlecht. Den Weinbaubetrieb soll nämlich sein ältester Sohn erben …« Selket spielte mit ihren Fingern. »Jedenfalls bin ich froh, dass an jenem Abend nicht mehr passiert ist. Wahrscheinlich wollte Paser nur ausprobieren, wie weit er mich rumkriegt. Heute glaube ich nicht mehr daran, dass er mich wirklich mitnehmen wollte.«
»Der Richtige kommt bestimmt noch«, tröstete Anchesenamun ihre Freundin.
Selket seufzte. »Die Liebe kann einen ganz schön durcheinanderbringen. Man ist dann gar nicht mehr richtig bei Verstand.« Sie sprang auf. »So, jetzt haben wir aber genug geplaudert.«
Sie half Anchesenamun ein frisches Gewand anzulegen, reichte ihr Ketten und Armreifen und bot ihr an, das Haar aufzustecken. Aber Anchesenamun lehnte ab, sie trug ihr Haar lieber offen.
Selket begleitete ihre Freundin durch die weiträumigen Palastanlagen in ihr Schlafgemach. Dort war es angenehm kühl, die Tageshitze drang nicht durch die dicken Mauern. Anchesenamun ließ sich auf ihr Bett fallen und lud Selket ein, ebenfalls Platz zu nehmen.
»Eigentlich müsste ich meiner Mutter helfen … Aber ein paar Augenblicke habe ich noch …« Sie setzte sich. Ihr Blick glitt bewundernd durch den Raum, der mit schönen Möbeln ausgestattet war. »So ein Zimmer, ganz für mich allein, hätte ich auch gern.« Selket musste sich einen Raum mit ihrer Mutter und ihrem Bruder teilen.
»Wenn Maketaton noch leben würde, würde sie hier wohnen.« Anchesenamun seufzte. »In der letzten Zeit muss ich oft an sie denken. Die Erinnerung an sie wird immer blasser. Ich weiß kaum noch, wie sie ausgesehen hat.« Sie richtete sich auf. »Glaubst du eigentlich, dass wir im Jenseits weiterleben, Selket?«
»Aber natürlich«, antwortete Selket ohne das geringste Zögern. »Du nicht? Zweifelst du etwa daran?«
»Ach, ich mache mir eben so meine Gedanken.« Anchesenamun starrte die Wand an. »Ich denke oft an meinen Vater. Er hat alle Götter verboten – bis auf Aton. Meinst du nicht, dass die Götter uns deswegen zürnen? Warum sollen sie uns durch das Jenseits geleiten und uns gewogen sein?« Sie spielte mit einem Zipfel des Baldachins, der aus feinstem Leinen gewebt war.
»Du bist doch nicht schuld daran an dem, was dein Vater getan hat«, sagte Selket. »Und Maketaton auch nicht.«
»Vielleicht frisst Ammit einfach mein Herz, wenn ich gestorben bin«, murmelte Anchesenamun. »Und das war’s dann.« Sie blickte Selket an. »Genau das habe ich neulich geträumt. Ich starb, und die Göttin mit dem Krokodilkopf verschlang mein Herz. Ich habe es richtig gespürt.« Sie legte ihre Hand auf die linke Brust. »Die Stelle hat mir noch am nächsten Tag weh getan.«
»Nur ein dummer Traum!« Selket schüttelte lachend den Kopf.
»Träume sind nicht dumm«, widersprach Anchesenamun. »Sie wollen uns etwas sagen.«
»Also, ich würde mir jedenfalls keine allzu großen Sorgen machen.« Selket stand auf. »Du bist gläubig und huldigst Amun und den anderen Göttern. Und Tut sorgt ja nach Kräften dafür, dass die Tempel und Götterbilder wiederhergestellt werden. Du hast dir wirklich nichts vorzuwerfen!« Sie wandte sich zur Tür. »Ich muss jetzt gehen, meine Mutter wartet bestimmt schon auf mich. Wir treffen uns morgen früh im
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