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Dem Tod auf der Spur

Titel: Dem Tod auf der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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Ein Wort in eigener Sache
    Das Ziel allen Lebens ist der Tod, sagte Sigmund Freud. Damit hat er ins Schwarze getroffen, denn jeder Mensch stirbt schließlich irgendwann – entweder eines natürlichen oder eines nicht-natürlichen Todes.
    Ein natürlicher Tod ist krankheits- oder altersbedingt. »Nicht-natürlich« nennen wir all die Todesfälle, die von außen verursacht oder bewusst herbeigeführt werden, z.B. durch Verbluten nach Schuss- oder Stichverletzungen, ein Schädel-Hirn-Trauma nach einem Verkehrsunfall, Schläge gegen den Kopf oder auch eine Vergiftung, sei es mit Medikamenten, Drogen oder anderen Substanzen.
    Wir Rechtsmediziner kommen immer dann ins Spiel, wenn Zweifel an einer natürlichen Todesursache bestehen. Und das ist deutlich häufiger der Fall, als man allgemein denkt. In all diesen Fällen ist es unsere Aufgabe, Licht ins Dunkel zu bringen – für die Ermittler wie für die Hinterbliebenen.
    Durchschnittlich 900.000 Todesfälle ereignen sich pro Jahr in Deutschland, gut drei Prozent davon sind nicht-natürlicher Art. Das heißt: Drei von hundert Menschen in unserem Land sterben nicht durch Krankheit oder Alter, sondern durch Unfall, Mord oder Suizid. Das allein ist erschreckend genug. Was die Sache nocherschreckender macht: Viele nicht-natürliche Todesfälle bleiben unerkannt, weil bei der Feststellung der Todesursache kein Rechtsmediziner hinzugezogen wird. Weil mancher Tod natürlich erscheint, es aber nicht ist.
    Tote haben leider immer noch keine Lobby, frei nach Sabine Rückert 1 . Und während in angelsächsischen Ländern und den USA ein amtlich bestellter und speziell ausgebildeter Leichenbeschauer – ein Coroner oder Medical Examiner  – jeden Toten untersucht, bevor er bestattet wird, kann bei uns ein Arzt jeder Fachdisziplin, sei er Labormediziner, Gynäkologe, Orthopäde, Pharmakologe oder Allgemeinmediziner, die Leichenschau durchführen. Ein Arzt kann bei einer äußeren Leichenschau aber kaum erkennen, ob der Verstorbene z.B. von seinen Verwandten mit Herzglykosiden oder anderen Medikamenten vergiftet wurde. Auch eine dezente Einstichstelle, an der z.B. Luft in eine Vene injiziert wurde, kann sich leicht der Aufmerksamkeit des rechtsmedizinisch nicht erfahrenen Leichenbeschauers entziehen. Häufig ist es ja der Hausarzt, der von der Familie zur Feststellung des Todes gerufen wird. Eben der Arzt, der den Verstorbenen vor dem Tod behandelt hat. Dieser Arzt könnte leicht das Missfallen der Familie erregen und dadurch auch seine Patienten verlieren, wenn er nun anfinge, grelles Licht anzuschalten, den Verstorbenen vollständig zu entkleiden, von allen Seiten zu untersuchen, in jede Körperöffnung zu schauen oder explizit, gegebenenfalls sogar vor den Angehörigen,nach Würgemalen zu suchen. Auch das Durchwühlen des Mülleimers vor Ort, um zu schauen, ob sich darin nicht irgendwelche Medikamentenfläschchen oder Spritzen befinden, würde bei den Angehörigen sicher nicht auf Wohlwollen stoßen. Hat der Arzt dann aber den Totenschein auf natürlichen Tod erst einmal ausgestellt, ist es meist zu spät. Ist der Verstorbene erdbestattet, können in der Regel nur äußerst gravierende Gründe eine Exhumierung bewirken. Und ist der Leichnam erst kremiert, also verbrannt, ist alles zu spät. Eine Stunde im Krematorium bei 800 bis 1.000 Grad vernichtet jeden Beweis. Von dem Verstorbenen ist nach der Kremation nichts weiter als ein Häufchen Asche übrig. Dann kann man nicht einmal mehr die Identität des Toten über eine DNA-Analyse nachweisen, geschweige denn Gift oder äußere Gewaltanwendung.
    Für eine »Komplettversorgung« wie etwa in den USA bräuchten wir allerdings auch deutlich mehr forensische Spezialisten. In Deutschland gibt es zurzeit nur etwa 250 ausgebildete Rechtsmediziner – vermutlich so wenig wie in keiner anderen medizinischen Disziplin.
    Mein Weg in diesen Beruf begann vor mehr als zwanzig Jahren eher unspektakulär. Bei der Bundeswehr sagte mir ein Kamerad, dass man zwei freie Tage bekäme, wenn man sich für den damals noch üblichen »Medizinertest« anmelde. Dieser Medizinertest konnte eine durchschnittliche oder schlechte Abiturnote neutralisieren und ermöglichte bei sehr gutem Abschneiden sogar den Zugang zum Medizinstudium ohne Wartezeit. Ichnahm am Medizinertest teil, bestand ihn und begann kurz darauf das Medizinstudium.
    Wie ich es damals geschafft habe, nach Studentenpartys und nur zwei bis drei Stunden Schlaf morgens um sieben Uhr im

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