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Dem Tod auf der Spur

Titel: Dem Tod auf der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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nur ein Mediziner an einer Leiche, sondern immer ein ganzes Team: neben dem zuständigen Rechtsmedizinerein weiterer Arzt, ein oder zwei Sektionsassistenten, mehrere Medizinstudenten, die ihr Praktikum in der Rechtsmedizin machen, und meist auch ein oder zwei Gastärzte aus anderen Ländern, die die Berliner Rechtsmedizin besuchen, um von uns zu lernen. Bei mutmaßlichen Mordfällen stehen auch die diensthabende Staatsanwältin oder der Staatsanwalt dabei und auch die Kollegen von der Kripo: Ermittler, Polizeifotografen sowie Techniker von der Spurensicherung bzw. Kriminaltechnik.
    Außenstehende, wie Leute von der Presse und anderen Medien oder Buchautoren, die die Erlaubnis erhalten, einige Stunden oder manchmal auch Tage in der Rechtsmedizin zuzusehen, wundern sich stets vor allem über die normale und gelöste Arbeitsatmosphäre: Bei uns und überall sonst in den rechtsmedizinischen Instituten wird geredet und gescherzt wie an anderen Arbeitsplätzen auch. Die meisten fühlen sich bei uns im Sektionssaal an eine Werkstatt erinnert, in der verschiedene Leute einander zuarbeiten – und genau so ist es auch.
    Was Laien ebenso wundert: Viele Prozesse laufen parallel ab und nicht nacheinander. Während einer der Ärzte Bauch- und Brusthöhle öffnet, sägt ein Sektionsassistent die Schädeldecke auf. Letzteres geschieht oft schon während der Leichenschau. Entnommene Organe werden sofort auf dem »Organtisch« – einem kleinen Metalltisch oberhalb des Sektionstisches – untersucht. Dadurch, dass zugleich an fünf Obduktionstischen gearbeitet wird, kommt es vor, dass man plötzlich vom Lärm einer Säge übertönt wird, wenn man auf Bandspricht oder sich mit einem Kollegen verständigt. Dann muss man eben lauter sprechen oder etwas zweimal sagen. Und Assistenten, die gerade an ihrem Tisch nicht gebraucht werden, sehen sich bei den Kollegen um, weil es immer etwas Neues zu lernen gibt.
    Übrigens: Ungefähr die Hälfte unseres Teams ist weiblich.Von einem Männerberuf kann hier also keine Rede sein.
    Jede einzelne Obduktion folgt in der Rechtsmedizin einem klar geregelten Ablauf und wird grundsätzlich zu zweit durchgeführt. Das ist in der Strafprozessordnung so festgelegt, denn bekanntlich sehen vier Augen mehr als zwei. Zunächst wird der Zustand der Leiche nur oberflächlich begutachtet. Oberflächlich heißt hier: ohne die Leiche oder Teile derselben zu öffnen. Diese erste, sehr wohl eingehende und detaillierte Betrachtung nennt man »äußere Leichenschau«. Alle Befunde, die sich dabei ergeben, spricht der Rechtsmediziner für das schriftliche Obduktionsprotokoll in ein Diktiergerät.
    Nach der Leichenschau folgt die eigentliche Obduktion, auch als »innere Leichenschau« bezeichnet. Immer wieder werden meine Kollegen und ich gefragt, was eigentlich der Unterschied zwischen Obduktion, Autopsie und Sektion ist. Alle lesen oder sehen Krimis, und es gibt die wildesten Theorien über mögliche Unterschiede. Die Antwort ist: Es gibt keinen. Die verschiedenen Begriffe werden längst synonym gebraucht, auch wenn sie aus verschiedenen Aspekten der rechtsmedizinischen Untersuchung entstanden sind: Obduktionist vom lateinischen obducere abgeleitet, was so viel bedeutet wie »nachträglich hinzuziehen«. Etymologisch gesehen ist die Obduktion also die Überprüfung der vermuteten Todesursache. Herkunft des Wortes Sektion ist das ebenfalls lateinische secare: schneiden. Autopsie ist griechisch und heißt so viel wie »eigener Augenschein«, von autos = selbst und opsis = sehen.
    Gemäß § 89 StPO müssen bei der gerichtlich angeordneten Obduktion alle drei Körperhöhlen des Verstorbenen geöffnet werden: Brusthöhle, Bauchhöhle und Kopfhöhle. Brust- und Bauchhöhle können unterschiedlich geöffnet werden. In den USA und auch in den meisten deutschen Instituten wird bei Männern der berühmte »Y-Schnitt« gemacht: zwei Schnitte von den Schultern zum oberen Ende des Brustbeins und dann von hier hinunter bis zum Becken. Weibliche Leichen öffnet man auch mit dem sogenannten »U-Schnitt«, der vom Schlüsselbein rechts und links U-förmig bis zum Bauch läuft. Beide Schnitte werden deshalb so vorgenommen, damit ein Leichenhemd die Nähte verdecken kann, wenn die Leiche aufgebahrt wird. Da nicht nur »normale« Frauenbekleidung gelegentlich tiefer dekolletiert ist, sondern Leichenhemden für Damen meist ebenso, wird bei Frauen eben manchmal der U-Schnitt angewandt, durch dessen Form man selbst bei einem tiefen

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