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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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hatte die Eigenschaft, dass man ihr nicht neutral gegenüberstehen konnte: Entweder man liebte oder man hasste sie.
    Doña Bela zum Beispiel verachtete sie. Natürlich war es für sie eine Erleichterung, dass sie sich um Víctor kümmerte und ihn von ihr fernhielt. Der Junge hatte sie immer beunruhigt, seit er im Alter von drei Jahren auf Blackravens Armen aufgetaucht war, ohne dass man sagen konnte, woher das Kind kam. Bernabela vermutete, es handele sich um seinen unehelichen Sohn, aber Alcides sagte ihr immer wieder, nein, er sei sein Patenkind und Schützling. Zugegeben, ähnlich sahen sie sich nicht. Roger hatte schwarzes Haar und blaue Augen und der kleine Blondschopf grüne. Aber das unterschiedliche Äußere musste nicht bedeuten, dass Blackraven nicht doch der Vater sein könnte. Man brauchte sich nur ihre jüngste Tochter Angelita anzuschauen: Sie
war ebenso ihr Kind wie die anderen drei, hatte aber alles vom Vater.
    Kurzum, seit Miss Melody da war, hatte Bernabela eine Sorge weniger: Víctor. Víctor und seine Anfälle, Víctor und seine vernachlässigte Erziehung, Víctor und seine geheimnisvollen Blicke. Auf der anderen Seite empfand sie die Gouvernante als extrem störend. Es war unerträglich, wie sie Tag für Tag mehr Macht über die Ihren gewann. Nicht nur Señorita Béatrice zeigte deutlich, dass sie ihr gewogen war, mit der Zeit waren ihr auch ihr Bruder Diogo, Leonilda und Angelita verfallen, ganz zu schweigen von den Sklaven, die sie verehrten wie die Königin von Saba.
     
    An dem Abend, an dem Melody in den Patio der Herrschaften ging und die Tür des Vogelkäfigs öffnete, fing sie sich Doña Belas ewigen Hass ein.
    Dieser riesige, majestätische goldene Käfig voller exotischer Vögel war der größte Stolz Bernabelas. Ihre Freundinnen konnten sich nicht losreißen, voller Bewunderung und Neid wegen der Exemplare, die Blackraven ihr von fernen Orten mitbrachte. Einige sahen wegen ihres bizarren Erscheinungsbildes geradezu unwirklich aus. »Der Käfig der seltsamen Vögel«, wie er von den Damen aus Buenos Aires genannt wurde, war für Reisende zu einem Vorwand geworden, bei den Valdez e Incláns vorbeizuschauen. Die Kaffeekränzchen im Haus in der Calle Santiago gewannen dank des melodiösen Gezwitschers und der Farbenpracht der Gefieder an Reiz. Tonangebend war ein Paradiesvogelmännchen, von dem man sagt, er sei der schönste Vogel der Welt. Aber auch die Nachtigall mit ihrem erhabenen Gesang war nicht zu verachten, die Kalanderlerche, die Bachstelze, zwei Stärlinge, mehrere Drosseln, ein paar Würger und ein Häherpärchen, das ausschließlich mit Eicheln ernährt wurde.
    Als Bernabela den leeren Käfig sah, reagierte sie wie zu erwarten:
Sie fiel in Ohnmacht. Diogo trug sie in ihr Zimmer, wo Leonilda sie mit Riechsalz wieder zu sich brachte. Sie weinte, schimpfte und hatte hysterische Anfälle, bis sie schließlich ihren Bruder bat, ihr die dreischwänzige Peitsche zu bringen, um die Sklavin Toribia zu züchtigen, die damit betraut war, den Käfig zu säubern und die Vögel zu füttern.
    »Toribia hat damit nichts zu tun, Doña Bela«, versicherte Melody. »Ich habe die Käfigtür geöffnet.«
    Im ersten Moment begriff Bernabela nicht, was Melody da eben gesagt hatte. Sie starrte sie ungläubig an, die Peitsche in der Hand.
    »Warum?«, stammelte Leonilda, ebenso fassungslos wie Bernabela.
    »Weil es nicht gerecht ist, dass sie eingesperrt sind, wenn sie dazu geboren sind, zu fliegen und frei zu sein.«
    Bernabela stieß einen spitzen Schrei aus und schlug mit der Peitsche nach Melodys Gesicht, traf sie aber nur am Hals. Diogo hielt sie von hinten fest und befahl der Gouvernante zu verschwinden. Bernabelas Geheul war so lange zu hören, bis ihr Bruder ihren Kopf in ein Waschbecken tauchte und ihr drohte, sie eigenhändig auszupeitschen, wenn sie nicht endlich den Mund hielte. Als Valdez e Inclán an dem Abend von der im Bau befindlichen Gerberei zurückkam, bestellte er Melody und Bernabela zu sich. Señorita Béatrice war bereits da.
    »Was Ihr getan habt, ist unverzeihlich«, sagte er. »Ihr werdet Eure Sachen packen und morgen früh das Haus verlassen. Einige dieser Vögel waren von unschätzbarem Wert. Ich weiß nicht, was der Graf von Stoneville dazu sagen wird, wenn er kommt.«
    »Miss Melody hat recht«, sagte Béatrice entschieden. »Kein lebendes Wesen, das kein Verbrechen begangen hat, hat es verdient, von jemandem gefangen gehalten zu werden. Die Vögel sind dort, wo sie sind,

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