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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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meiner älteren Schwester, das alles war lieber, zarter und köstlicher als je, aber es war nicht Trost mehr und sicheres Gut, es war lauter Vorwurf. Dies alles war nicht mehr mein, ich konnte an seiner Heiterkeit und Stille nicht teilhaben. Ich trug Schmutz an meinen Füßen, den ich nicht an der Matte abstreifen konnte, ich brachte Schatten mit mir, von denen die Heimatwelt nichts wußte. Wieviel Geheimnisse hatte ich schon gehabt, wieviel Bangigkeit, aber es war alles Spiel und Spaß gewesen gegen das, was ich heut mit mir in diese Räume brachte. Schicksal lief mir nach, Hände waren nach mir ausgestreckt, vor denen auch die Mutter mich nicht schützen konnte, von denen sie nicht wissen durfte. Ob nun mein Verbrechen ein Diebstahl war oder eineLüge (hatte ich nicht einen falschen Eid bei Gott und Seligkeit geschworen?) – das war einerlei. Meine Sünde war nicht dies oder das, meine Sünde war, daß ich dem Teufel die Hand gegeben hatte. Warum war ich mitgegangen? Warum hatte ich dem Kromer gehorcht, besser als je meinem Vater? Warum hatte ich die Geschichte von jenem Diebstahl erlogen? Mich mit Verbrechen gebrüstet, als wären es Heldentaten? Nun hielt der Teufel meine Hand, nun war der Feind hinter mir her.
    Für einen Augenblick empfand ich nicht mehr Furcht vor morgen, sondern vor allem die schreckliche Gewißheit, daß mein Weg jetzt immer weiter bergab und ins Finstere führe. Ich spürte deutlich, daß aus meinem Vergehen neue Vergehen folgen mußten, daß mein Erscheinen bei den Geschwistern, mein Gruß und Kuß an die Eltern Lüge war, daß ich ein Schicksal und Geheimnis mit mir trug, das ich innen verbarg.
    Einen Augenblick blitzte Vertrauen und Hoffnung in mir auf, da ich den Hut meines Vaters betrachtete. Ich würde ihm alles sagen, würde sein Urteil und seine Strafe auf mich nehmen und ihn zu meinem Mitwisser und Retter machen. Es würde nur eine Buße sein, wie ich sie oft bestanden hatte, eine schwere, bittere Stunde, eine schwere und reuevolle Bitte um Verzeihung.
    Wie süß das klang! Wie schön das lockte! Aber es war nichts damit. Ich wußte, daß ich es nicht tun würde. Ich wußte, daß ich jetzt ein Geheimnis hatte, eine Schuld, die ich allein und selber ausfressen mußte. Vielleicht war ich gerade jetzt auf dem Scheidewege, vielleicht würde ich von dieser Stunde an für immer und immer dem Schlechten angehören, Geheimnisse mit Bösen teilen, von ihnen abhängen, ihnen gehorchen, ihresgleichen werden müssen. Ich hatte den Mann und Helden gespielt, jetzt mußte ich tragen, was daraus folgte.
    Es war mir lieb, daß mein Vater sich, als ich eintrat, über meine nassen Schuhe aufhielt. Es lenkte ab, er bemerkte das Schlimmere nicht, und ich durfte einen Vorwurf ertragen, den ich heimlich mit auf das andere bezog. Dabei funkelte ein sonderbar neues Gefühl in mir auf, ein böses und schneidendes Gefühl voll Widerhaken: ich fühlte mich meinem Vater überlegen! Ich fühlte, einen Augenblick lang, eine gewisse Verachtung für seine Unwissenheit, sein Schelten über die nassen Stiefel schien mir kleinlich. »Wenn du wüßtest!« dachte ich und kam mir vor wieein Verbrecher, den man wegen einer gestohlenen Semmel verhört, während er Morde zu gestehen hätte. Es war ein häßliches und widriges Gefühl, aber es war stark und hatte einen tiefen Reiz, und es kettete mich fester als jeder andere Gedanke an mein Geheimnis und meine Schuld. Vielleicht, dachte ich, ist der Kromer jetzt schon zur Polizei gegangen und hat mich angegeben, und Gewitter ziehen sich über mir zusammen, während man mich hier wie ein kleines Kind betrachtet!
    Von diesem ganzen Erlebnis, soweit es bis hier erzählt ist, war dieser Augenblick das Wichtige und Bleibende. Es war ein erster Riß in die Heiligkeit des Vaters, es war ein erster Schnitt in die Pfeiler, auf denen mein Kinderleben geruht hatte, und die jeder Mensch, ehe er er selbst werden kann, zerstört haben muß. Aus diesen Erlebnissen, die niemand sieht, besteht die innere, wesentliche Linie unsres Schicksals. Solch ein Schnitt und Riß wächst wieder zu, er verheilt und wird vergessen, in der geheimsten Kammer aber lebt und blutet er weiter.
    Mir selbst graute sofort vor dem neuen Gefühl, ich hätte meinem Vater gleich darauf die Füße küssen mögen, um es ihm abzubitten. Man kann aber nichts Wesentliches abbitten, und das fühlt und weiß ein Kind so gut und tief wie jeder Weise.
    Ich fühlte die Notwendigkeit, über meine Sache nachzudenken, auf Wege

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