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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Geschichte der Philosophie, das ich hörte, war ebenso wesenlos und fabrikmäßig wie das Treiben der studierenden Jünglinge. Alles war so nach der Schablone, einer tat wie der andere, und die erhitzte Fröhlichkeit auf den knabenhaften Gesichtern sah so betrübend leer und fertiggekauft aus! Aber ich war frei, ich hatte meinen ganzen Tag für mich, wohnte still und schön in altem Gemäuer vor der Stadt und hatte auf meinem Tisch ein paar Bände Nietzsche liegen. Mit ihm lebte ich, fühlte die Einsamkeit seiner Seele, witterte das Schicksal, daß ihn unaufhaltsam trieb, litt mit ihm und war selig, daß es einen gegeben hatte, der so unerbittlich seinen Weg gegangen war.
    Spät am Abend schlenderte ich einst durch die Stadt, im wehenden Herbstwind, und hörte aus den Wirtshäusern die Studentenvereine singen. Aus ge-
    öffneten Fenstern drang Tabakrauch in Wolken hervor, und in dickem Schwall der Gesang, laut und straff, doch unbeschwingt und leblos uniform.
    Ich stand an einer Straßenecke und hörte zu, aus zwei Kneipen scholl die pünktlich ausgeübte Munterkeit der f Jugend in die Nacht. Überall Gemeinsamkeit, überall Zusammenhocken, überall Abladen des Schicksals und Flucht in warme Herdennähe!
    Hinter mir gingen zwei Männer langsam vorüber. Ich hörte ein Stück von
    ihrem Gespräch.
    Ist es nicht genau wie das Jungmännerhaus in einem Negerdorf?“ sagte
    ”
    der eine. Alles stimmt, sogar das Tätowieren ist noch Mode. Sehen Sie, das
    ”
    ist das junge Europa.“
    Die Stimme klang mir wunderlich mahnend – bekannt. Ich ging den beiden
    in der dunklen Gasse nach. Der eine war ein Japaner, klein und elegant, ich sah unter einer Laterne sein gelbes lächelndes Gesicht aufglänzen.
    Da sprach der andere wieder.
    Nun, es wird bei Ihnen in Japan auch nicht besser sein. Die Leute, die
    ”
    nicht der Herde nachlaufen, sind überall selten. Es gibt auch hier welche.“
    Jedes Wort durchdrang mich mit freudigem Schrecken. Ich kannte den Sprecher. Es war Demian.
    In der windigen Nacht folgte ich ihm und dem Japaner durch die dunkeln
    Gassen, hörte ihren Gesprächen zu und genoß den Klang von Demians Stimme.
    Sie hatte den alten Ton, sie hatte die alte, schöne Sicherheit und Ruhe, und sie hatte die Macht über mich. Nun war alles gut. Ich hatte ihn gefunden.
    Am Ende einer vorstädtischen Straße nahm der Japaner Abschied und
    schloß eine Haustür auf. Demian ging den Weg zurück, ich war stehengeblie-88
    ben und erwartete ihn mitten in der Straße. Mit Herzklopfen sah ich ihn mir entgegenkommen, aufrecht und elastisch, in einem braunen Gummimantel,
    einen dünnen Stock am Arme eingehängt. Er kam, ohne seinen gleichmäßigen Schritt zu ändern, bis dicht vor mich hin, nahm den Hut ab und zeigte mir sein altes helles Gesicht mit dem entschlossenen Mund und der eigentümlichen Helligkeit auf der breiten Stirn.
    Demian!“ rief ich.
    ”
    Er streckte mir die Hand entgegen.
    Also da bist du, Sinclair! Ich habe dich erwartet.“
    ”Wußtest du, daß ich hier bin?“
    ”Ich wußte es nicht gerade, aber ich hoffte es bestimmt. Gesehen habe ich
    ”
    dich erst heute abend, du bist uns ja die ganze Zeit nachgegangen.“
    Du kanntest mich also gleich?“
    ”Natürlich. Du hast dich zwar verändert. Aber du hast ja das Zeichen.“
    ”Das Zeichen? Was für ein Zeichen?“
    ”Wir nannten es früher das Kainszeichen, wenn du dich noch erinnern
    ”
    kannst. Es ist unser Zeichen. Du hast es immer gehabt, darum bin ich dein Freund geworden. Aber jetzt ist es deutlicher geworden.“
    Ich wußte es nicht. Oder eigentlich doch. Einmal habe ich ein Bild von dir
    ”
    gemalt, Demian, und war erstaunt, daß es auch mir ähnlich war. War das das Zeichen?“
    Das war es. Gut, daß du nun da bist! Auch meine Mutter wird sich freuen.“
    ”
    Ich erschrak.
    Deine Mutter? Ist sie hier? Sie kennt mich ja gar nicht.“
    ”Oh, sie weiß von dir. Sie wird dich kennen, auch ohne daß ich ihr sage, wer
    ”
    du bist. – Du hast lange nichts von dir hören lassen.“
    Oh, ich wollte oft schreiben, aber es ging nicht. Seit einiger Zeit habe ich
    ”
    gespürt, daß ich dich bald finden müsse. Ich habe jeden Tag darauf gewartet.“
    Er schob seinen Arm in meinen und ging mit mir weiter. Ruhe ging von ihm aus und zog in mich ein. Wir plauderten bald wie früher. Wir gedachten der Schulzeit, des Konfirmationsunterrichtes, auch jenes unglücklichen Beisam-menseins damals in den Ferien – nur von dem frühesten und engsten Bande

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