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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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sagte still: Sie haben ganz recht, Sinclair, Sie sind ein kluger Kerl. Ich werde Sie
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    mit dem antiquarischen Zeug verschonen.“
    Er sprach sehr ruhig, aber ich hörte den Schmerz der Verwundung wohl
    heraus. Was hatte ich getan!
    Die Tränen waren mir nah, ich wollte mich ihm herzlich zuwenden, wollte ihn um Verzeihung bitten, ihn meiner Liebe, meiner zärtlichen Dankbarkeit versichern. Rührende Worte fielen mir ein – aber ich konnte sie nicht sagen. Ich 82
    blieb liegen, sah ins Feuer und schwieg. Und er schwieg auch, und so lagen wir, und das Feuer brannte herab und sank zusammen, und mit jeder verblaffenden Flamme fühlte ich etwas Schönes und Inniges verglühen und verfliegen, das nicht wiederkommen konnte.
    Ich fürchte, Sie verstehen mich falsch“, sagte ich schließlich sehr gepreßt
    ”
    und mit trockener, heiserer Stimme. Die dummen, sinnlosen Worte kamen mir wie mechanisch über die Lippen, als läse ich aus einem Zeitungsroman vor.
    Ich verstehe Sie ganz richtig“, sagte Pistorius leis.
    Sie haben ja recht.“
    ”
    Er wartete. Dann fuhr er langsam fort: Soweit ein Mensch eben gegen den
    ”
    andern recht haben kann.“
    Nein, nein, rief es in mir, ich habe unrecht! – aber sagen konnte ich nichts.
    Ich wußte, daß ich mit meinem einzigen, kleinen Wort ihn aufeine wesentliche Schwäche, auf seine Not und Wunde hingewiesen hatte. Ich hatte den Punkt berührt, wo er sich selber mißtrauen mußte. Sein Ideal war antiquarisch“, er
    ”
    war ein Sucher nach rückwärts, er war ein Romantiker. Und plötzlich fühlte ich tief gerade das, was Pistorius mir gewesen war und gegeben hatte, das konnte er sich selbst nicht sein und geben. Er hatte mich einen Weg geführt, der auch ihn, den Führer, überschreiten und verlassen mußte.
    Weiß Gott, wie solch ein Wort entsteht! Ich hatte es gar nicht schlimm
    gemeint, hatte keine Ahnung von einer Katastrophe gehabt. Ich hatte etwas ausgesprochen, was ich im Augenblick des Aussprechens selber durchaus nicht wußte, ich hatte einem kleinen, etwas witzigen, etwas boshaften Einfall nach-gegeben, und es war Schicksal daraus geworden. Ich hatte eine kleine, achtlose Roheit begangen, und für ihn ,war sie ein Gericht geworden.
    O wie sehr habe ich mir damals gewünscht, er möchte böse geworden sein, er möchte sich verteidigt, möchte mich angeschrien haben! Er tat nichts davon, alles das mußte ich, in mir drinnen, selber tun. Er hätte gelächelt, wenn er gekonnt hätte. Daß er es nicht konnte, daran sah ich am besten, wie sehr ich ihn getroffen hatte.
    Und indem Pistorius den Schlag von mir, von seinem vorlauten und un-
    dankbaren Schüler, so lautlos hinnahm, indem er schwieg und mir Recht ließ, indem er mein Wort als Schicksal anerkannte, machte er mich mir selbst verhaßt, machte er meine Unbesonnenheit tausendmal größer. Als ich zuschlug, hatte ich einen Starken und Wehrhaften zu treffen gemeint – nun war es ein stiller, duldender Mensch, ein Wehrloser, der sich schweigend ergab.
    Lange Zeit blieben wir vor dem verglimmenden Feuer liegen, in dem jede
    glühende Figur, jeder sich krümmende Aschenstab mir glückliche, schöne, reiche Stunden ins Gedächtnis rief und die Schuld meiner Verpflichtung gegen Pistorius größer und größer anhäufte. Zuletzt ertrug ich es nicht mehr. Ich stand auf und ging. Lange stand ich vor seiner Tür, lange auf der finsteren Treppe, lange noch draußen vor dem Hause wartend, ob er vielleicht käme 83
    und mir nachginge. Dann ging ich weiter und lief Stunden um Stunden durch Stadt und Vorstädte, Park und Wald, bis zum Abend. Und damals spürte ich zum erstenmal das Zeichen Kains auf meiner Stirn.
    Nur allmählich kam ich zum Nachdenken. Meine Gedanken hatten alle die
    Absicht, mich anzuklagen und Pistorius zu verteidigen. Und alle endeten mit dem Gegenteil. Tausendmal war ich bereit, mein rasches Wort zu bereuen
    und zurückzunehmen – aber wahr war es doch gewesen. Erstjetzt gelang es mir, Pistorius zu verstehen, seinen ganzen Traum vor mir aufzubauen. Dieser Traum war gewesen, ein Priester zu sein, die neue Religion zu verkünden, neue Formen der Erhebung, der Liebe und Anbetung zu geben, neue Symbole aufzurichten. Aber dies war nicht seine Kraft, nicht sein Amt. Er verweilte allzu warm im Gewesenen, er kannte allzu genau das Ehemalige, er wußte allzu viel von Ägypten, von Indien, von Mithras, von Abraxas. Seine Liebe war an Bilder gebunden, welche die Erde schon gesehen hatte, und dabei wußte er im

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