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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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dass er das mehr aus therapeutischen Gründen tat,
     und nicht weil die Chance bestand, dass ich etwas eingestehen würde.
    »Wenn White nicht tut, was ich ihm sage, kommt er unter die Erde. Hier gibt es massenhaft gute Stellen, um eine Leiche zu
     verstecken.«
    Wenn ich als Druckmittel gegen White nicht mehr von Nutzen war, würden sie mich wohl auch in eines von Thorpes praktischen
     Waldgräbern legen.
    Thorpe ging zum Sideboard beim Kamin und schenkte sich einen ordentlichen Drink ein. Lim nutzte die Gelegenheit, um meine
     Fesseln zu überprüfen. Der Strick, mit dem ich am Stuhl festgebunden war, war so weich, dass es sich fast schon luxuriös anfühlte.
    »Bequem, nicht wahr?«, sagte Lim an meinem Ohr. »Ich weiß, dass der Strick lose sitzt, also nicht, dass Sie auf dumme Gedanken
     kommen. Ich möchte nur nicht, dass Fesselspuren meine Geschichte ruinieren.«
    Die Stricke waren mit kunstvolleren Knoten befestigt, als Iris sie gemacht hatte, aber der Stuhl, an den ich nun gebunden
     war, war dafür eine Antiquität aus der Pionierzeit. Meine Arme waren an die drei schmalen Leisten gefesselt, die die Rückenlehne
     mit dem Sitz verbanden, und die Zeit war nicht gnädig mit dem Leim verfahren, der die Verbindungsstellen zusammenhielt.
    »Sie haben meinen Besitz beschädigt, Strange«, sagteThorpe. »Hätte mein Angestellter nicht einen kühleren Kopf als ich, wären Sie jetzt nicht mehr am Leben. Hat Ezekiel Sie geschickt?«
    »Ich bin aus eigenem Antrieb gekommen.«
    »Quatsch. Sind Sie hier, um mich zu töten?«
    »Wie schon gesagt, ich bin gekommen, um herauszufinden, wer Bruder Isaiah ermordet hat. White hat mich engagiert, um den Mörder
     zu finden.«
    »Er weiß, was vorgefallen ist«, sagte Thorpe.
    »Das ist mir neu. White hat mir diese Pointe nie verraten.« Jetzt hatte ich wirklich keine Ahnung mehr, warum White meine
     Dienste gekauft hatte. Ich würde ihn fragen müssen, wenn er auftauchte.
    »Was wissen Sie über meinen Sohn?«
    »Nur, dass er von Profis gekidnappt wurde.« Das würde nicht reichen, um Thorpe zu beschwichtigen, aber wenn ich log, machte
     das die Dinge nur noch schlimmer, sobald White auftauchte.
    »Mein Sohn ist vielleicht nicht der beste Mensch auf der Welt, aber er ist mein Sohn«, sagte Thorpe. »Es war schon schwer
     genug, ihn aus Ärger herauszuhalten, bevor dieser Prediger und seine Armee von Spitzeln in die Stadt kamen. Als Bruder Isaiah
     mir dieses Video unter die Nase hielt, dachte ich, er wäre hinter Geld her. Ich hatte schon früher dafür gezahlt, die Probleme
     meines Sohnes aus der Welt zu schaffen, und Isaiah war nicht der erste heilige Mann, der mit aufgehaltener Hand zu mir kam.
     Anfangs hat er nur aus der Schrift zitiert: ›Der Lohn der Sünde ist der Tod‹, oder: ›Ich bin der Weg und das Leben‹« – Thorpe
     wischte die Bibelzitate mit einer Handbewegung beiseite   –, »als hätte ich diesen Quatsch nicht schon mein ganzes verdammtes Leben lang gehört. Ich forderte ihn auf, mit dem Predigen
     aufzuhören und seinen Preis zu nennen.«
    »Aber Bruder Isaiah hat nicht mitgespielt«, meinte ich.
    »Er wollte kein Geld. Dieser Scheißkerl war hinter der Seele meines Sohnes her. Junior ist getauft, genau wie ich, aber der
     Methodismus war dem Drecksack nicht gut genug. Zu weich und schwach, sagte Isaiah, es fehle die Bereitschaft, sich für die
     Wahrheit von Gottes Mission einzusetzen. Die einzige Möglichkeit, wie mein Junge bereuen könne, sei, sich durch die Taufe
     in Isaiahs Kirche aufnehmen zu lassen. Ich bin kein frommer Mensch, aber mein Vater hat als Methodist gegen die Rassentrennung
     demonstriert. Wenn der Methodismus gut genug für ihn war, dann ist er auch gut genug für mich und meinen verfluchten Sohn.«
     Thorpe kippte sein Glas.
    »Kennen Sie das Wort Vendetta?«, fragte Thorpe.
    »Es ist mir schon ein- oder zweimal begegnet.«
    »Ich bewundere das Wort. Es klingt genau wie das, was es bedeutet.« Thorpe wollte zur Whiskyflasche gehen, überlegte es sich
     aber anders. »Ich habe Männer finanziell erledigt. Sie ruiniert. Ich habe mit Zähnen und Klauen gekämpft, erwachsene Männer
     zum Weinen gebracht, und für nichts davon schäme ich mich. So ist das Geschäftsleben eben. Aber in all den Jahren habe ich
     nie jemandes Familie angerührt. Das ist eine Linie, die man einfach nicht überschreitet. Wenn man es aber tut, ändern sich
     die Regeln.«
    Das war also die Geschichte, die er sich selbst erzählte, der Grund,

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