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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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Privatstraße und war schwierig zu finden.
     In der Nähe angekommen, erkundigte ich mich in ein paar über Nacht geöffneten Tankstellen. Die Größe des Hauses und die Aggressivität
     von Thorpes Sicherheitsleuten hatten in der Gegend für einen schlechten Ruf gesorgt, und so hatte ich weniger Mühe, es zu
     finden, als ich erwartet hatte. Ich hatte in etwa einer Meile Entfernung geparkt, aber ich stieg nicht aus.
    Ich konnte nicht aufhören, über Iris nachzudenken. Nicht lange, nachdem ich die Lösung gefunden hatte, war ich aus dem Haus
     geschlüpft und hatte ihren Autoschlüssel mitgenommen. Nach allem, was sie für mich getan hatte, fühlte ich mich nicht besonders
     gut dabei. Hoffentlich betrachtete sie es als eine Geste der Zuneigug. Das Beste wäre, wenn ich die Angelegenheit zu Ende
     brachte, bevor sie die Augen aufschlug. Eigentlich hatte ich sicherheitshalber ohne irgendeine Erklärung abfahren wollen,
     aber im letzten Moment hatte ich mir in die Hosen gemacht und ihr eine Nachricht geschrieben. Falls mir etwas zustieß, verdiente
     Iris es, die Wahrheit zu erfahren, und ich wollte mich von ihr verabschieden.
    Schließlich ging ich los, ließ aber meinen Fedora mit seiner unverkennbaren Silhouette im Wagen zurück. Ich hatte meine Pistole,
     drei Ersatzstreifen Munition, ein am Bein festgeschnalltes Faustmesser und ein Opernglas bei mir, das ich im Handschuhfach
     gefunden hatte. Das war nicht viel, wenn man bedachte, dass ich es mit einem Mann zu tun hatte, dem eine eigene Privatarmee
     zur Verfügung stand. Ich schlich mich geduckt über den holprigen Boden und orientierte mich im Licht des Halbmonds. Die Weymouth-Kiefern
     ragten über mir auf und verfolgten meinen Fortschritt mit derselben Gleichgültigkeit, die sie den Jahreszeiten entgegenbrachten.
    Nach einer halben Meile hörte ich jemanden pfeifen. Die Melodie kam mir bekannt vor: Irgendetwas Sentimentales, das ein paar
     Wochen lang das Radio heimgesucht hatte und dann verschwunden war. Ich kauerte mich hinter einen Baum und wartete. Ein rothaariger
     Mann kam in Sicht. So gelassen, wie er dahinschlenderte, sah es so aus, als machte er einen kleinen Nachtspaziergang mit seiner
     Lieblingsschrotflinte. Ich ließ ihn vorbeigehen und hieb ihm dann den Pistolengriff gegen den Kopf. Er stürzte schwer und
     schlug sich den Kopf an einem im Gestrüpp verborgenen Stein an. Ich überprüfte seinen Puls. Er lebte noch. Seine Schrotflinte
     würde er so bald ohnehin nicht brauchen.
    Thorpes Waldhaus war so grotesk, wie die Fotos es hatten erwarten lassen. Es sollte den Anschein erwecken, in Blockhausbauweise
     aus Kiefernstämmen erbaut zu sein, aber ich hatte noch nie ein Blockhaus gesehen, dessen Vorderveranda von ionischen Säulen
     getragen wurde. Zwischen dem Haus und den Bäumen erstreckten sich zweihundert Meter Rasen, und davor befand sich ein großer,
     gekiester Parkplatz. Das ganze Gelände war von Flutlicht erleuchtet, das jemand aus dem Baseball-Stadion der New York Yankees
     gestohlen haben musste.
    Ich ging einmal um das Gelände herum und hielt mich dabei am Waldrand verborgen. Das Opernglas zeigte mir Thorpe, der in der
     großen Eingangshalle vor einem Feuer saß. In der Hand hielt er einen Scotch, und ansonsten tat er nicht viel. Außer ihm war
     niemand zu sehen. Ein derart bedrängter und paranoider Mann hätte von mehr Leuten bewacht sein sollen. Zum tausendsten Mal
     wünschte ich mir, ich wäre nicht gezwungen gewesen, meine schwarze Tasche bei Benny zu lassen; das Mikrophon wäre jetzt sehr
     nützlich gewesen, um herauszufinden, wer sonst noch da war. Thorpes Schatten Mr Lim war garantiert irgendwo vor Ort, und ich
     musste ihn überrumpeln. Derzeit war mein einziger Vorteil das Überraschungsmoment.
    Hinter dem Haus stand ein Geräteschuppen. Durch ihn gedeckt würde ich bis auf hundert Meter an die Fenster eines Vorraums
     herankommen. Ich beobachtete den Raum eine Viertelstunde lang. Keiner ging hindurch. Er bot die beste Möglichkeit, um ins
     Haus zu kommen, aber das Gelände davor war die reinste Todeszone. Der Krieg hatte mich gelehrt, ruhigen, offenen Flächen zu
     misstrauen. Einen leeren Platz zu überqueren wirkte immer wie ein Kinderspiel, bis man den ersten Schuss eines Scharfschützen
     hörte. Doch dieses Wissen hatte mich nie daran gehindert, meine Deckung zu verlassen, wenn mir keine Wahl blieb, und im Moment
     hatte ich keine.
    Ich rannte geduckt über den Rasen, die Augen auf das Haus geheftet. Keiner

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