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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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tauchte auf oder schoss auf mich. Durch das Opernglas
     warf ich noch einen Blick auf den Vorraum, aber der war noch immer menschenleer. Die Fensterangeln befanden sich an der Außenseite,
     und das brachte mich auf eine Idee. Ich schlüpfte in den unverschlossenen Schuppen und tastete nach dem, was ich brauchte.
     Ich fand einen Hammer und einen Meißel, die geeignet waren. Noch immer ungesehen rannte ich zum Haus.
    Das einzige Möbelstück im Vorraum war ein einsamer Tisch. An den Wänden hingen einige Bilder, die die Pionierzeit verherrlichten:
     Jagdgesellschaften der Altvorderen oder Männer mit Waschbärpelzmützen, die hoch oben auf Berggipfeln standen und in die Ferne
     blickten. Zwei elektrische Wandleuchter tauchten den Raum in mehr Licht, als mir lieb war. Der Boden war mit Holzdielen ausgelegt,
     die wahrscheinlich der Authentizität halber höllisch laut knarrten. Auf der linken Seite des Raums lag ein Flur, von dem aus
     eine Treppe nach oben führte. Von der Ecke ganz rechts ging ein weiterer Flur ab. Keiner der Eingänge hatte Türen, die mich
     vor Blicken beschützt hätten, doch ich musste das Risiko eingehen.
    Ich schob den Meißel zwischen das Bandoberteil und den Bolzen der Fensterangel, die mir am nächsten war, und stemmte den Bolzen
     vorsichtig mit Hammerschlägen heraus. In der vormorgendlichen Waldstille klang jeder Schlag wie Donner in meinen Ohren. Ich
     brauchte ewig, um den Bolzen herauszubefördern, aber niemand kam. Die Angel löste sich endlich. Mit einem letzten Blick nach
     drinnen zog ich das Fenster auf. Ein Hupen laut genug, um die Wiederkehr Christi anzukündigen, ging im Haus los.
    Nicht gerade meine beste Stunde.
    Ich hechtete in den Raum. Vom Flur bei der Treppe hörte ich hastige, ungleichmäßige Schritte heranstürzen. Ich presste mich
     flach gegen die Wand beim Durchgang. Die Schritte näherten sich. Ich wartete ab, bis sie beinahe bei mir waren, und trat dann
     in den Durchgang, die Schrotflinte zwischen beiden Händen erhoben. Ein junger Mann im besten Sonntagsstaat krachte mit dem
     Spitzbart voran gegen den Schaft. Sein Rumpf rannte weiter, aber sein Gesicht blieb an Ort und Stelle. Durch den Schwung bewegte
     sich sein Körper in einem Viertelkreis um den Schaft herum, bis er sich fast parallel zum Boden befand. Einen Moment lang
     sah es so aus, als schwebteer in Trance über dem Boden, und dann stürzte er nach unten, bewusstlos oder schlimmer. Ich war recht zufrieden mit mir, bis
     ich Lim im anderen Durchgang stehen sah, einen Revolver in jeder Hand.
    Es bestand keine Chance, die Schrotflinte einzusetzen, bevor er mir ein paar Luftlöcher verpassen würde, die ich vorher nicht
     gehabt hatte. Ich ließ die Flinte fallen und hob die Hände. Lim steckte eine seiner Pistolen ins Halfter und kam auf mich
     zu, lässig wie immer. Ich fragte mich, ob ich jetzt sterben würde, und dachte dann an die vielen Male, in denen ich dieser
     Möglichkeit schon hatte ins Auge blicken müssen. Das warf kein gutes Licht auf meine Berufswahl oder mein Leben im Allgemeinen.
     Bevor ich Gelegenheit hatte, diesem Gedankengang weiter zu folgen, versank die Welt ins Dunkel.
     
    Ein Schlag ins Gesicht weckte mich. »Warum sind Sie hier?«, fragte Thorpe.
    Ich war in den letzten vierundzwanzig Stunden zwei Mal gefesselt worden. Diesmal waren die Umstände weniger günstig. Ich befand
     mich in der Eingangshalle des Waldhauses, in der ich Thorpe vorher mit einem Whisky gesehen hatte. Sein Atem sagte mir, dass
     er mehr als ein Glas getrunken hatte. Durch die großen Frontfenster konnte ich die leere Zufahrt und eine Seite der neoklassizistischen
     Veranda sehen. Der große, gemauerte Kamin befand sich zu meiner Rechten, und darin brannte ein Feuer. An den Wänden hingen
     die Köpfe einer Menagerie von toten Tieren.
    »Warum sind Sie hier?«, fragte Thorpe wieder.
    »Ich bin neugieriger, als gut für mich ist«, antwortete ich. »Ich möchte wissen, warum Sie Bruder Isaiah haben ermorden lassen.«
    Der Fausthieb traf meine rechte Wange hart. Thorpe mochte inzwischen angegraut sein, doch er hatte noch immer einenkräftigen Schlag drauf. Meine Wange schwoll bereits an. Thorpe langte noch einmal zu und machte mein Gesicht wieder symmetrisch.
    »Wir brauchen ihn lebend, Sir«, sagte Lim. »Wenn White eintrifft, werden wir ihn mit Strange konfrontieren. Dann wird er sich
     zweimal überlegen, ob er etwas Dummes tut.«
    Thorpe schnaubte, fluchte und schlug mich erneut. Ich bekam das Gefühl,

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