Den Jakobsweg erfahren
Frage nach unserer Motivation für die
Pilgerfahrt. Ich erzähle, dass die zunächst wohl eher sportlicher Natur gewesen
sei. Nach und nach sei der religiöse Aspekt jedoch immer deutlicher geworden.
Mit der Kirche und der Religion habe ich eigentlich nichts am Hut. Wer weiß,
meint der Mann zu mir, es wäre doch möglich, dass ich sehr wohl ein religiöser
Mensch sei, mir dies bisher nur nicht bewusst geworden ist. Das, so muss ich
ihm zustimmen, kann sehr wohl möglich sein.
Wir sprechen weiter über die
Kathedrale. Als wir bemerken, dass das Weihrauchgefäß so hängt, dass wir es
beim Schwenken immer nur kurz im Mittelschiff sehen werden, weil es in den
Seitenschiffen rechts und links verschwinden wird, verlassen wir unseren
Sitzplatz und bekommen gerade noch einen im Seitenschiff.
Die Messe beginnt. Eine
Ordensschwester singt mit einer unglaublich klaren Stimme immer wieder einige
kirchliche Lieder vor. Schauer laufen mir immer wieder über die Haut.
Zwischendurch werden die Namen der ankommenden Pilger verlesen. Unsere
verpassen wir aber irgendwie. Vielleicht war die Betonung auch anders als
erwartet. Egal.
Dann wird das Weihrauchgefäß
bestückt und von etlichen Männern an verschiedenen Seilen ruckartig abwechselnd
immer ein Stück hoch gezogen und wieder etwas heruntergelassen. Dadurch gerät
das Gefäß in eine Schwenkbewegung. Die ist nachher so groß, dass das Gefäß
annähern einen 90 Grad Winkel zu beiden Seiten emporschießt. Und wir stehen
genau in der Fluchtrichtung. Man kann sich ein Zusammenzucken nicht verkneifen,
wenn es auf einem zugerast kommt.
Nach diesem Spektakel singt die
Schwester noch einige Lieder und der Segen wird erteilt. Puh. Das berührt.
Nach der Messe ist es schon fast
Mittag. Wir machen uns auf den Weg ins Zentrum. Das sind nur wenige Schritte.
Eine paar Stufen eine Treppe hoch und dann … brennen die Oberschenkel so heiß,
als würden sie verbrennen. Diese Bewegung sind unsere Beine wohl nicht mehr
gewohnt. Oben angekommen tröstet der Anblick der vielen Lokale über den
Muskelschmerz hinweg. Erst einmal einen Tinto und zwar einen richtigen Tinto
und nicht dieser Verschnitt (de Verano) der letzten Tage. Den nehmen wir in
einer kleinen Bar. Dazu reicht der Wirt als Tapas Miesmuscheln in Chillisoße
(Tigres rabiata). Lecker. Und die Tapas machen Durst. Drum gönnen wir uns noch
zwei weitere Tintos, dann gibt es natürlich auch zwei weitere leckere Tapas.
Timo und Siggi verweigern die Muscheln, so darf ich noch einmal zulangen. Ich
versuche die Beiden zum probieren zu überreden. Keine Chance.
Anschließend gehen wir zum
Taxistand und lassen uns zum Flughafen bringen. Wir wollen uns dort vorab ein
wenig umsehen, damit es am Abflugtag keine Probleme gibt. Als wir uns
durchgefragt und alles gesehen haben, fahren wir mit einem anderen Taxi wieder
zurück. Mittlerweile ist auch die Sonne herausgekommen. In der Fußgängerzone
wird die Aposteltorte zum Probieren angeboten. Der können wir nicht widerstehen
und nehmen eine mit, um sie bei einer Tasse Kaffee in unserer Küche zu
vertilgen.
Nach dem Kaffeetrinken und dem
Genuss eines Stücks der Aposteltorte streifen Siggi und ich das FC Bayernshirt
und Timo das eines unbedeutenden Fussballclubs der größten deutschen Hafenstadt
über, denn heute ist das Champions Legue Endspiel. FCB gegen Chelsea. Das
müssen wir nach der Niederlage im DFB-Pokal und dem Verlust der deutschen
Meisterschaft einfach gewinnen. Direkt neben unserer Unterkunft ist ein Lokal.
Da wollen wir das Spiel ansehen und fragen den Inhaber, einem ausgewanderten
Argentinier, ob er das Event zeigt. Selbstverständlich, meint er. So
reservieren wir einen Tisch für 20:00 Uhr und machen uns wieder auf in die
Stadt. Beinbrennen inklusive.
In dem Speiselokal von gestern
wollen wir uns vor dem Spiel stärken. Vorher holen wir uns bei der
Nachmittagspilgermesse noch den göttlichen Segen für uns und unseren FC. Dies
bleibt einem Fotografen nicht verborgen. Er schießt in der Kirche ein Foto von
uns. Wenn Bayern heute gewinnt, könnte das Foto auf der ersten Seite aller
Spanischen Zeitungen zu sehen sein, denke ich. Heute muss es einfach klappen.
Im Speiselokal ist zum Glück für
uns noch ein Tisch frei. Eine deutsche Speisekarte wird beinahe selbstständig
gereicht und etwas Leckeres ist schnell ausgewählt. Wir haben es eilig. Auf
direktem Wege gehen wir zu unserem Lokal. Da ist zwar noch nichts los, aber wir
sind ja da.
Timo und Siggi bestellen Bier, ich
nehme
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