Den Jakobsweg erfahren
schaltet das Licht ein. Es ist ein Muslim, der sein
Gebet halten will. Wir deuten an, dass wir den Raum verlassen wollen, um ihn
nicht zu stören, aber er winkt ab. Ganz leise betet er Richtung Mekka, verneigt
sich dabei mehrfach und verlässt, nachdem er das Licht gelöscht hat, schweigend
den Raum. Dann haben wir ein paar Minuten Ruhe.
24.05.2012
Donnerstag
Tag 34
Münster (D) – Biene (D)
Gefühlt um 06:00 Uhr pellen wir
uns aus dem Schlafsack. Im Toilettenraum machen wir uns frisch und packen
unsere Sachen. Mit der Handpumpe bringen wir die Reifen auf den erforderlichen
Druck und nehmen an der Kaffeebar, wo wir vor einigen Stunden noch das Weißbier
genossen, unser Frühstück ein.
So um 07:00 Uhr brechen wir auf.
Eine Karte oder eine Route für das Handy habe ich nicht. Daran habe ich nicht
gedacht. Der Fahrradroutenplaner, den ich als Programm auf dem Handy habe,
benötigt jedoch eine Internetverbindung und die will irgendwie nicht. Von
Münster finden wir doch auch ohne Hilfsmittel nach Hause, das wäre doch
gelacht. Am Flugplatz entlang ist der Weg noch eindeutig. Dann allerdings gibt
es die erste Entscheidung: Links oder rechts?
Siggi sagt überzeugend, dass wir
nach links müssen. Ich wäre zwar rechts abgebogen, kann es aber nur mit
Bauchgefühl begründen und Timo weiß nicht. Also fahren wir nach links. Der Weg
zieht sich. Nach etlichen Kilometern kommen wir auf bekanntes Terrain. Es ist
die Strecke von Emsdetten nach Rheine. Hier sind wir im Frühjahr nach und von
Münster bereits gefahren. Nun brauchen wir kein Navi mehr.
In Emsdetten laden wir unsere
Getränkeflaschen an einem Aldimarkt mit Schorle auf. Siggi kramt in seiner
Lenkertasche herum und legt den Inhalt auf die Reihe der vor dem Markt
stehenden Einkaufswagen. Bei den Sachen, die er auspackt, ist auch seine Schriftrolle
mit der Compostela.
Als alles wieder verstaut ist,
geht es weiter in Richtung Rheine und dann am Dortmund-Ems-Kanal entlang nach
Hause. Bei einem Stopp am Leinenpfad kramt der kräftige, blonde Pilgerbruder
erneut in seiner Lenkertasche herum und stellt panisch fest, dass die Compostela
nicht an seinem Ort ist. Die muss in Emsdetten noch auf dem Einkaufswagen
liegen, meint er. Gemeinsam stellen wir fest, dass die Möglichkeit dahin mit
dem Rad zurückzufahren, allein aus zeitlichen Gründen ausscheidet. Aber was
sollen wir statt dessen machen? Es geht schließlich um eine Urkunde die Siggis
Sündenfreiheit bescheinigt.
Ich rege an, dass er sich von der
Telefonauskunft die Rufnummer der Polizei in Emsdetten geben lässt und ich die
Kollegen in diesem wirklich unaufschiebbaren Notfall bitte, den Ort den
Verschwindens aufzusuchen, um die Compostela in Verwahrung zu nehmen.
Gesagt, getan. Der Beamte sichert
mir zu, unverzüglich alles zu veranlassen, um die Urkunde zu finden. So fahren
wir weiter in Richtung Heimat. Nach einer knappen Stunde erhalten wir einen
Rückruf des Kollegen aus Emsdetten. Die Absuche des Ortes und die Befragung der
Beschäftigten hat leider nicht zum Auffinden der Schriftrolle geführt. Mist.
Bleibt nur das Fundamt in
Emsdetten in den nächsten Tagen anzurufen. Oder ist sie im Ruheraum oder im
Flugzeug liegen geblieben? Keiner kann es mit absoluter Sicherheit sagen, wobei
Siggi und auch ich meine, die Rolle auf den Einkaufswagen gesehen zu haben. So
fahren wir weiter.
Um kurz vor 12:00 Uhr erreichen
wir Holthausen, unsere Schwestergemeinde. Dort scheint uns ein dunkelgrünes
Fahrzeug mit Blaulicht bereits zu erwarten. Der Fahrer, mein Kollege Franz,
lässt uns etwas herankommen und eskortiert uns dann bis zur Biener Kirche, wo
eine ganze Menschenmenge mit Transparenten und Jubelrufen einen herzlichen
Empfang bereiten. Von Weitem schon kann ich meinen Blondschopf sehen! Endlich
wieder zu Hause. Sie hält das Transparent „Biene – Santiago de Compostela
21.04. - 24.05.2012“ - Na ja, ist nicht ganz richtig, weil wir da schon am
17.5. angekommen sind, aber egal. Wir winken aus der Ferne und alle winken
zurück. Ich bin völlig überwältigt. Volksfeststimmung. Alle unsere Lieben,
Freunde, Nachbarn, Kollegen nehmen uns in die Arme und freuen sich genau so wie
wir uns, dass wir uns wieder haben. Auch Beppo mein kleiner Parson Russel
Terrier ist mit dabei. Ein Vertreter der örtlichen Presse macht Bilder und
übergibt mir eine Visitenkarte, um in der nächsten Zeit mit uns einen Termin zu
vereinbaren.
Der Pastor möchte uns sogleich
verpflichten, am Wochenende an einer heiligen Messe
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