Denken hilft - frische Ideen für Gedächtnis und Kreativität

der vorsah, verdächtige Schallplatten mit einem Warnhinweis zu versehen. Stellen Sie sich Schallplatten vor mit dem Hinweis: »Könnte satanische Botschaften enthalten.« (Für jüngere Leser: Schallplatten sind analoge Tonträger aus dem letzten Jahrtausend.) Solche Botschaften lauten dann »I live for Satan« oder »My sweet Satan«. Und man kann diese Botschaften tatsächlich hören, wenn man einen Titel wie »Stairway to Heaven« von Led Zeppelin rückwärts abspielt. Aber man kann eine kaputte Klospülung auch für eine röchelnde Ratte halten. Bei Rückwärtsbotschaften gehen besorgte Menschen davon aus, dass die Botschaften auch beim Vorwärtshören der Musik wahrgenommen und verarbeitet werden, ganz unbewusst, subliminal. Bei intensivem Genuss von Rockmusik würde sich also der Satan selbst in die Gemüter der jungen Menschen rocken, ohne dass sie es bemerken. Gefährlich, gefährlich.
    Â 
    Diese Vermutung fiel besonders in den USA auf fruchtbaren Boden. Denn bereits Ende der fünfziger Jahre erregte dort die sogenannte »Iss-Popcorn-trink-Cola-Studie« die Gemüter. Der Werbefachmann James Vicary hatte die Besucher eines Kinos durch unterschwellige Werbung dazu gebracht, 58 Prozent mehr Popcorn zu futtern und 18 Prozent mehr Cola zu trinken. Die Einblendungen entsprechender Werbebotschaften waren so kurz, dass diese nicht bewusst wahrgenommen wurden – aber trotzdem wirkten. Das jedenfalls behauptete Vicary. Später entpuppte sich die ganze Geschichte als Zeitungsente und Werbegag. Und auch in seriösen Experimenten konnte eine solche Wirkung nie nachgewiesen werden. Die Angst aber vor unterschwelligen, geheimen Botschaften hatte sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt. Die Rockmusik spielte damit, und zwar virtuos. Texte wurden so verfasst und Stücke so gemischt,
dass die vermeintlich satanischen Botschaften immer wieder auftauchten, als sogenanntes Backwards Masking. Das röchelnde Kellermonster der Rockmusik wurde am Leben erhalten, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Fürs Marketing ein gefundenes Fressen. Und für David Oates die Aufgabe seines Lebens.
    Â 
    Oates gab 1987 seinen Job auf und wurde professioneller Rückwärtssprachforscher. Allerdings bestätigt Oates nicht, dass geheime Botschaften Zufall sind oder mit Absicht konstruiert werden. Im Gegenteil. Oates entwickelte eine ganz eigene und derart unglaubliche Theorie, dass ich Ihnen kurz davon berichten muss: Oates geht davon aus, dass wir Menschen gleichzeitig vorwärts- und rückwärtskommunizieren. Vorwärts und bewusst kommunizieren wir nur zur Hälfte. Rückwärts und unbewusst kommunizieren wir zur anderen Hälfte: nämlich das, was wir wirklich denken und fühlen und uns vorwärts nicht zu sagen trauen. Wenn wir also eine Sprachaufzeichnung rückwärts anhören, offenbaren sich geheime Gedanken. Von dieser Idee besessen hörte Oates sich jahrelang Sprachaufzeichnungen rückwärts an. Und er fand viele geheime Gedanken und Botschaften. Zum Beispiel: Neil Armstrongs berühmte Worte »That’s one small step for (a) man« klingen rückwärts wie »Man will space walk«, also wie eine Vision, die dem Astronauten durch den Kopf gegangen sein könnte. Allerdings erklingen auch in der Titelmusik der TV-Zeichentrickserie Spongebob diverse Botschaften, zum Beispiel »Snow froze Bob, yes«. Und mit Hilfe einer Studentengruppe habe ich mal eine Neujahrsansprache von Helmut Kohl analysiert. Auch darin steckten Botschaften wie »Da war ein Feudel«, auf Hochdeutsch heißt das »Da war ein Scheuerlappen«. Was verrät uns das über Spongebob oder Helmut Kohl? Wenig! Zumindest bei einem der beiden bin ich mir sicher.

    Â 
    Vor ein paar Jahren habe ich mal mit David Oates telefoniert. Er hatte davon gehört, dass ich rückwärtsspreche und hielt mich für eine Art Medium. Meine Güte, war der ehrfürchtig. Ich halte Oates für jemanden, der geheime Botschaften hört, weil er sie hören will. Und da ist er nicht der Einzige. Unser Bedürfnis, die Psyche des Menschen zu verstehen, einen Schlüssel zum Unterbewusstsein zu finden, einen Blick in die Zukunft zu werfen oder Gedanken zu lesen, ist verdammt groß. So groß, dass wir – oder manche von uns – geheime Botschaften halluzinieren. Nicht nur in Rockmusiktexten, sondern auch in gelegten