14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
ERSTES KAPITEL
Unter Dieben
Im Süden von den großen syrischen und mesopotamischen Wüsteneinöden liegt, vom Roten Meer und von dem Persischen Golf umgeben, die Halbinsel Arabien, welche ihre äußerste Kante weit in das stürmereiche arabisch-indische Meer erstreckt.
An drei Seiten ist dieses Land von einem zwar schmalen, aber außerordentlich fruchtbaren Küstensaum eingefaßt, welcher nach innen zu einer weiten, wüsten Hochebene emporsteigt, deren teils trübselige, teils groteske Landschaftsbilder besonders im Osten durch hohe, unwegsame Gebirgsstöcke abgeschlossen werden, zu denen ganz hauptsächlich die öden Berge von Schammar zu zählen sind.
Dieses Land, dessen Quadratmeilenzahl man heut noch nicht genau anzugeben vermag, wurde im Altertum eingeteilt in Arabia peträa, in Arabia deserta und in Arabia felix, zu deutsch: in das peträische, wüste und glückliche Arabien. Wenn noch öfters jetzt gewisse Geographen der Ansicht sind, daß der Ausdruck peträa abzuleiten sei von dem griechisch-lateinischen Wort, das ‚Stein, Fels‘ bedeutet, und deshalb diesen Teil des Landes das ‚steinige‘ Arabien nennen, so beruht das auf einer irrtümlichen Auffassung; dieser Name ist vielmehr zurückzuführen auf das alte Petra, das die Hauptstadt dieser nördlichen Provinz des Landes war. Der Araber nennt seine Heimat Dschesirat el Arab (Inselland, arabisch), während sie bei den Türken und Persern Arabistan geheißen wird. Die jetzige Einteilung wird verschieden angegeben; die nomadisierenden Einwohner lassen jedoch nur den einzigen Unterschied der Stämme gelten.
Über diesem Land wölbt sich ein ewig heiterer Himmel, von welchem des Nachts die Sterne rein und klar herniederblicken; durch die Bergschluchten und über die zum großen Teil noch unerforschten Wüsten-Ebenen schweift der halbwilde Sohn der Steppe auf prachtvollem Pferd oder auf unermüdlichem Kamel. Sein Auge ist überall, denn er lebt mit aller Welt in Streit und Unfrieden, nur mit den Angehörigen seines Stammes nicht. Von einer Grenze bis zur andern zieht bald der sanfte Hauch einer reinen, milden, bald der rauschenden Odem einer trüben, wilden Poesie, welcher den Wanderer überall umweht, wo er nur immer weilen mag. So kommt es, daß man bereits vor langen Jahrhunderten Hunderte von arabischen Dichtern und Dichterinnen kannte, deren Lieder im Mund des Volkes lebten und die mit Hilfe des Griffels für spätere Zeiten festgehalten wurden.
Als Stammvater der echten Araber oder Joktaniden gilt Joktan, der Sohn Huts, welcher ein Abkömmling Sems im fünften Glied war, und dessen Nachkommen das glückliche Arabien und die Küste Tehama bis hinab zum persischen Meerbusen bewohnten. Jetzt suchen viele Stämme eine Ehre darin, von Ismaël, dem Sohn Hagars, abzustammen.
Dieser Ismaël soll, wie die Sage berichtet, mit seinem Vater Abraham nach Mekka gekommen sein und dort die heilige Kaaba errichtet haben. Das Wahre aber ist, daß die Kaaba von dem Stamm der Koreïschiten gestiftet oder wenigstens ausgebaut wurde. Unter den Heiligtümern, die sie besaß, waren der Brunnen Zem-Zem und der angeblich vom Himmel gefallene schwarze Stein die berühmtesten.
Hierher pilgerten die verschiedenen Stämme der Araber, um da ihre Stamm- oder auch wohl Haus-Götzen aufzustellen und ihnen ihre Opfer und Gebete darzubringen. Daher war Mekka den Arabern das, was Delphi den Griechen und Jerusalem den Juden gewesen ist; es bildete den Mittelpunkt für die weithin zerstreuten Nomaden, die sich ohne denselben in allen Richtungen verloren hätten.
Da sich dieser hochwichtige Punkt im Besitz der Koreïschiten befand, so war dieser Stamm der mächtigste und angesehenste Arabiens und infolgedessen auch der Reichste, weil die von allen Seiten herbeikommenden Pilger nie ohne Geschenke oder wertvolle Handelswaren anzulangen pflegten.
Ein armer Angehöriger dieses Stammes, Namens Abd Allah (‚Diener Gottes‘), starb im Jahre 570 nach Christus, und einige Monate später, am 20. April 571, der auf einen Montag fiel, gebar seine Witwe Amina einen Knaben, welcher später Mohammed (‚Der Vielgepriesene‘) genannt wurde. Es ist sehr wahrscheinlich, daß der Knabe vorher einen anderen Namen getragen hat und erst dann, als seine prophetische Wirksamkeit ihn zu einem hervorragenden Mann machte, den Ehrennamen Mohammed erhielt. Dieser Name wird auch Muhammed, Mohammad und Muhammad geschrieben, und aus Ehrfurcht vor dem Propheten wagt es nie ein Gläubiger, ihn in dieser Fassung
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