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Denken Sie Nicht an Einen Blauen Elefanten

Titel: Denken Sie Nicht an Einen Blauen Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Spitzbart , Thorsten Havener
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Entscheidung vorausgeht und sie einleitet, womit die Entscheidung
     nicht mehr frei, sondern determiniert ist. Alle unsere Handlungen seien das Resultat Tausender kleiner Ursachen, die sich
     überlagern, so Haynes. «Unsere Erfahrungen aus der Kindheit, unserem Beruf, dem kulturellen Umfeld, vermittelt durch andere
     Menschen und Massenmedien – all das spielt bei jeder unserer Entscheidungen eine Rolle, und auch unbewusste Prozesse folgen
     dieser Logik.» Für ihn ist der freie Wille immer der Wille, der zu unserem Selbstbild passt; der Wille, mit dem wir uns frei
     fühlen.
    Wolf Singer, einer der prominentesten deutschen Hirnforscher, sieht das ähnlich: «Wir empfinden uns als frei, wenn |35| unsere Entscheidungen mit unseren bewussten oder unbewussten Motiven im Einklang stehen.» Oder einfacher: «Ich bin frei, wenn
     ich mich frei fühle.» Dies ist der Fall, wenn mir äußere Zwänge nicht mehr als solche erscheinen, weil ich sie verinnerlicht
     habe und sie damit ein Teil von mir sind. Nichts anderes geschieht im Laufe der Sozialisation (Erziehung) der meisten Menschen.
     Dies bedeutet aber nichts anderes, als dass wir Menschen determiniert sind und demnach eben nicht frei handeln. Singer findet
     an dieser Erkenntnis allerdings überhaupt nichts Dramatisches. Er sagt: «Entscheidungen dürfen nicht undeterminiert ablaufen.
     Sie dienen schließlich dazu, den Organismus am Leben zu halten. Würde das Gehirn undeterminiert entscheiden, wäre der Organismus
     nicht lebensfähig.» Alle Prozesse, die im Gehirn ablaufen, müssen sich an die Naturgesetze halten, also sind sie determiniert;
     und niemand kann sich dagegen entscheiden. Doch weil wir uns der deterministischen neuronalen Prozesse, die allen unseren
     emotionalen und kognitiven Leistungen zugrunde liegen, nicht bewusst sind, fühlen und bezeichnen wir uns und andere als freie,
     autonome Wesen.
    Das Ich ist dabei eine Funktion des Gesamtsystems Gehirn, die Bewusstsein hat und in sozialen Netzwerken lebt, weswegen sie
     Moral, Verantwortungsgefühl und Schuld entwickeln kann. Obwohl auch das Bewusstsein Naturgesetzen unterliegt, kann es also
     trotzdem offen und kreativ sein, lernen und sich verändern und vermeintliche Grenzen überwinden. Kinder zum Beispiel müssen
     erst lernen, ihre Triebstruktur zu kontrollieren und in manchen Fällen hintanzustellen, damit sie in der Familie und später
     in der Gesellschaft akzeptiert werden. Ihre Gehirne haben dazu die Fähigkeit zur Veränderung. Allerdings entschließen sie
     sich nicht etwa dazu, brav zu sein und ihre egoistischen Wünsche zu unterdrücken, sondern sie tun es aus Selbsterhaltungstrieb,
     weil sie ohne die anderen Menschen nicht lebensfähig wären.
    |36| Demnach entscheiden sich aber auch kriminelle oder antisoziale Menschen nicht dazu, antisozial oder kriminell zu handeln,
     sondern man muss annehmen, dass sie nicht dazu in der Lage sind, die Hemm-Mechanismen zu aktivieren, die ihr kriminelles Handeln
     unterbinden würden. Singer fordert vor diesem Hintergrund allerdings nicht, dass wir alle Schwerverbrecher freilassen müssen,
     weil sie nicht anders können. «Auch wenn man unterstellt, dass es keinen freien Willen gibt, bleibt die Person als Verursacher
     für ihre Tat verantwortlich.» Man müsse daher weiterhin versuchen, sie – wie das Kind, das noch nicht gelernt hat, seine Triebstruktur
     zu kontrollieren – durch Erziehungsmaßnahmen und Strafandrohung dazu zu bringen, sich nicht mehr kriminell zu verhalten. Wir
     brauchen eine Vorstellung von Schuld und Verantwortung, damit unser Zusammenleben funktioniert.
    Das, was der Tübinger Philosoph Manfred Frank «ein robustes lebensweltliches Vorverständnis» von Schuld und Unschuld nennt,
     beweist für Singer nicht die Existenz eines Willens, der frei zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Das Gehirn versucht,
     sein Verhalten möglichst konfliktfrei zu gestalten, weil das überlebensfördernd, und nicht etwa, weil es moralisch gut ist.
     Doch auch Singer und die meisten anderen Hirnforscher machen bei allen noch so revolutionären Erkenntnissen keinen Hehl daraus,
     dass sie nach wie vor nicht besonders viel über die Vorgänge in unserem Kopf wissen. «Vielleicht gibt es da draußen in der
     Welt Dinge, die, wenn wir sie entdeckten, die Welt so umkrempeln würden, wie es die Quantenphysik einst mit der klassischen
     Physik getan hat.» Außerdem sei das Gehirn, das hier über sich selbst und die Welt nachdenkt, sicher

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