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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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berichten ein schon vorne gestreiftes, praktisch Tag für Tag geübtes, wie schon besessen geübtes Tischfußballspiel, das, wie schon skizziert, auf den Namen »Schnippen« hörte, aus zweimal elf übereinandergeklebten Doppel-Flohhüpfern bestand, bunten Plastikscheibchen von der Größe eines Zehnpfennigstücks, und auf verschiedener Mütter Küchentisch, ziemlich genau im Verhältnis 1:100 zu den wirklichen Fußballfeldern, statthatte; das ganz offenbar alle, alle süchtig machte lang vor Alkohol, Nikotin und den schönsten Frauen der Region und – aber nein, es war gar nicht die Knabenzeit, sondern frühe Jugend, nämlich so 12 bis 14, und in dem Alter hatte ja Mozart schon seine Waisenhausmesse zuwege gebracht, und Korngold sogar noch etwas früher sein erstes Klaviertrio, und also decken wir lieber gleich wieder den Mantel der schweigenden Scham samt dem Schal der Nachsicht über die Sache, über die im Prinzip aber sehr schöne und sportliche und sogar geistreiche Sache; denn siehe, jeder von uns hatte, wie schon erwähnt, seine spezielle Oberliga-Mannschaft der Jahre 1951ff.; nachdem der Nürnberger Club bereits an den Erfinder des Spiels, einen Mitschüler und sogar Klassenprimus namens Willi Bartlmeß, vergeben war, griff ich in der Not zu Eintracht Frankfurt, daraus und aus keinem anderen Quell speiste sich dann die fast lebenslange Freundschaft und phasenweise sogar Passion für diese Mannschaft. Meine Schnippmannschaft hörte noch nicht auf die Namen der späteren deutschen Meisterspieler von 1959, also Loy-Lutz-Höfer, Weilbächer, Eigenbrodt, Kress usw. – sondern noch auf die vorherige Generation, also Henig-Bechtold, Kudras, Wloka usw. Aber: Pfaff war da schon dabei! Alfred Pfaff auf Linksaußen wie noch in der späteren Meistermannschaft und ums Haar auch in der Herbergerschen Endspielmannschaft von 1954 in Bern – Pfaff, ein unten dunkel-, oben mehr hellblauer Flohhüpfer, unten am Rand mit der Nagelfeile ein bißchen zugeschliffen, damit er den Ball, ein Stanniolkügelchen, sogar über den Torwart heben konnte – ja, hätte Herberger damals auf mich gehört, er hätte Pfaff für das Spiel gegen Ungarn nominiert, meinetwegen neben den Brüdern Walter, und Morlock hätte eben dann ins Mittelfeld zurückrutschen müssen, statt Eckel oder Mai – aber diesen Fall, diese nachgeholte Diskussion mit Sepp Herberger, Regensburg 1968, habe ich ja schon anderswo in meinen so wie wenige andere üppig welthaltigen Werken dargestellt.
    *
    Daß und wie meine Seele, also ich, dem deutschen Schlager bis zum ca. 13. Lebensjahr hörig – und zeitweise dauerhörend – ergeben war, das wiederum habe ich in meinem früheren Essay über René Carols »Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein« ausschweifend dargetan.
    Nebenhauptleidenschaften waren seinerzeit mehr schrulligkomisch gemeinte Exempel wie »Die süßesten Früchte«, »In einer Bar in Mexiko«, »Das Haus von Rocky Docky« oder »Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand« – dieses wiederum mehr der dümmlich sentimentalen Gattung (mit gesprochenem Rezitativ!) angehörend wie auch mein diesbezüglicher Favorit »Ich habe sonst nichts als dich und deine Liebe auf der Welt« – ich bin mir heute nur nicht mehr sicher, ob dieses gewaltige Gefühl meiner Cousine Christa, einer gewissen Ilona, meiner Mutter, Christa  II , Inge oder gar schon einer ländlich gottfriedkellerartigen Streber Liesl galt, ja, dieser wohl vor allem.
    Sei’s drum. Wie und wann ich dann den Übergang oder auch Sprung »in die Klassik« geschafft und gemeistert habe, ist mir nicht mehr ganz klar. Es hing aber wohl weniger von Streber Liesl ab und vielleicht auch nicht von Millöcker, Verdi, Mozart und Johann Strauß als Transit-Posten. Sondern von meiner offenbar genetisch begründeten Sammelleidenschaft, in diesem Fall von Schallplatten, die aber damals noch elend teuer waren, die Gesamtaufnahme der »Zauberflöte« sage und glaub’s nicht 75 Mark im Jahr 1955! Das entspräche heutigen 300 Euro! »Der stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse« (Karl Marx, den ich aber erst ca. fünfzehn Jahre später genauer kennenlernte) trieb mich ebendeshalb zu allerlei Kleinverdienstarbeitsmöglichkeiten; es möchte aber auch sein, daß ich hier fälschlich den Schwanz mit dem Pferd aufzäume, daß es das Geldzusammenkratzen selber war, was mir die allergrößte Freude bereitete und den mächtigsten Gewinn einbrachte, nicht so sehr Mozart und Rita Streich und bald auch die erste

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