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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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beliebteste unter den kriminellen Sprüchen) – aber ich darf hier schon mal gar nichts sagen: Ganz koscher war ich zu der Zeit und Lebensphase sicher auch nicht, mit 13. Wohl weiß ich heute noch ohne jedes Training ernstlich sämtliche 22 deutschen und ungarischen Akteure samt Ersatzspielern auswendig herzuschnurren; weiß es als vermutlich einziger lebender von 82 Milliarden oder jedenfalls Millionen Deutschen und dazu noch 10 Millionen Ungarn. Aber es fiel mir, ähnlich also doch Th. Mann, trotzdem gar nicht ein, das Endspiel im Radio anzuhören oder auf einem der immerhin schon sporadisch präsenten Fernseher zu verfolgen. Vielmehr zog ich es vor, am Nachmittag zu einer lokalen Rollschuhstraßenmeisterschaft zu preschen, um dort quasi nebenher Rahns Ausgleichs- und auch Siegestor in der 84. Minute im Radio durch eine offene VW -Tür zu erhaschen.
    Zu erinnern meine ich mich, ich war nach dem Schlußpfiff nicht einmal besonders erregt oder hochgestimmt oder dergleichen. Seltsam widersprüchlich genug. Denn ich habe heute wohl auch noch sämtliche Ergebnisse und Tore der WM -Vor- und Zwischen- und Vorendrunde im Kopf. Der aber damals in seiner unermeßlichen Belastbarkeit auch noch ganz andere Dinge zu bewältigen hatte: Fußball, aber auch Handball, Faustball, Leichtathletik, eben im Notfall sogar komplett deplaciert Rollschuh – mein allgemeiner Sportwahnsinn muß zwischen dem ca. 11. und 14. Jahre ein gigantischer gewesen sein.
    Sich zeitlich damals schon partiell überlappend mit einem überspannt religiösen oder parareligiösen, nämlich liturgiesüchtigen. Und etwas später dann dominiert von dem für Musik, Oper zumal.
    Und gleichviel und obwohl ich es selber im Fußball wegen fehlender Schnelligkeit, Härte und Kondition nie weit gebracht habe, weiß ich heute noch alles – Namen, Resultate, Aufstellungen – besser und genauer als selbst der von mir 1968, wie schon erwähnt, anläßlich einer Reise nach Regensburg in meiner Eigenschaft als Jungreporter heimgesuchte Trainer Josef (»der Chef«) Herberger. Wenn das kein Beweis ist! Daß ich eben ein zutiefst literarisches Naturell bin! Und immer war.
    *
    Daß der Mensch vom Genom bis zum Euklid und Pascal so vieles vergißt, so viel Wissbares und Wissenswertes wieder glatt vergißt, vergißt sogar in meinem relativ gedächtnisstarken Falle – und dabei aber doch auch den Namen des Überraschungssiegers bei der Olympiade 1952 von Helsinki im 1500 Meter-Lauf heute, nach neunundfünfzig verdrießlichen Jahren, mondsüchtigerweise noch weiß: des Schweizers Bartels – das zumindest sollte aber verboten sein.
    Vergangenheit, die nie vergehen will? Blochsche Hoffnung träufelt immerhin ein, daß ich den Vornamen nicht mehr weiß.
    *
    Ein zweifellos nicht sonderlich zu höheren Weihen geborener Mitschüler am Amberger Gymnasium war mit etwa 12 derart ausschließlich vom Fußball, Provinzfußball wohlgemerkt, eingenommen, daß er – der offenbar morgens im Dorf die Heimatpresse nicht mehr rechtzeitig studieren konnte – einen gleichgesinnten und gleichmütig respondierenden Kombattanten kurz vor Unterrichtsbeginn nur noch so fix wie gründlich wohlpräpariert abfragte:
    A: »Hahnbach – Gebenbach?«
    B: »3:2«
    A: »Halbzeit?«
    B: »2:1«
    A: »Hirschau – Mimbach?«
    B: »6:0«
    A: »Halbzeit?«
    B: »0:0«
    A: »Echt?«
    B: »Ja« –
    Bei mir, der ich zu der Zeit mehr als eifriger Musterschüler galt, war es aber kaum besser, wurde es später sogar noch etwas törichter. Wie ich im Roman »Die Vollidioten« (1973) nicht zu erwähnen verfehlte, wußte ich nach Einführung der Bundesliga (1963) ein volles Jahr sämtliche Ergebnisse auswendig und zeigte diese kümmerliche Kunst gelegentlich auch gegen Geld – es war offenbar die Magie der schieren Zahlen, der bekannten und schon erwähnten von Mannschaftsaufstellungen wohl gleichwertig, der nicht nur Ror Wolf und ich, sondern auch ansonsten trübe Tassen wie Walter Jens und Peter Handke phasenweise unterlagen.
    Vermutlich war da die Fußballerregung bei den Mitschülern wie bei mir schon als amour idiotique literarisiert, wie ehedem in älteren Generationen die Kriegserregung via Homer und Schwab und Mommsen usf. Primär funktionierte sie ein bißchen anders nach drei-vier Ersterfahrungen beim Heimatverein FC Amberg: Als ich, woran ich mich kürzlich wieder sehnsuchtsvoll anläßlich des mich leider weniger aufpeitschenden Besuchs des Spiels Nürnberg – Kaiserslautern: 1:3,

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