Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
Auf der anderen Seite gibt es einen sandigen Abhang. Den ist der Bär hochgelaufen. Breitbeinig und schwerfällig. Patrik Mäkitalo legt seine Hand in die unverkennbaren Bärenspuren.
Die Leute in Lainio haben schon seit längerem Angst vor Bären. Sie wissen, dass dieser manchmal in der Nähe war. Abfälle bei einer umgestoßenen Mülltonne, dampfend in der Morgenkälte, rot wie Grütze aus Blaubeeren und Preiselbeeren. Es wird viel über Bären geredet. Alte Geschichten werden wieder aufgewärmt.
Patrik betrachtet die Reißspuren im Boden, wo der Bär sich abgestemmt hat, um den Hang zu bewältigen. Er muss messerscharfe Krallen an den Tatzen haben. Im Ort haben sie die Abdrücke gemessen. Haben Streichholzschachteln neben die Spuren gelegt und mit ihren Mobiltelefonen fotografiert.
Frauen und Kinder mussten im Haus bleiben. Niemand hat gewagt, im Wald Beeren zu sammeln. Eltern holen ihre Kinder mit dem Auto vom Schulbus ab.
Das ist bestimmt ein großer Gangster, denkt Patrik und betrachtet die Spur. Ein alter Fleischfresser. Sicher hat er sich deshalb den Hund geholt.
Jetzt ist er in einem Wald aus hohen Kiefern angekommen. Der Boden ist leicht begehbar und eben. Die Kiefern stehen weit auseinander, ein Säulengang, gerade Stämme, keine Zweige, nur weit oben rauschende Wipfel. Das Moos, das im Sommer unter den Schritten knistert, ist aufgeweicht und verschluckt jeden Laut.
Gut, denkt er. Lautlos und gut.
Er durchquert ein altes Heumoor. In der Mitte ist eine Hütte eingestürzt. Das Dach liegt in morschen Resten umher. Es ist noch nicht so lange kalt, dass der Boden gefroren wäre. Patriks Schritte sinken im Torfboden ein, ihm bricht der Schweiß aus. Es riecht nach Verwesung und eisenreichem Wasser.
Bald schwenkt die Spur ab. Zieht sich zum Krüppelwald bei Vaikkojoki hin.
Einige Raben krächzen und schreien weiter weg in den grauen Morgen. Die Vegetation wird dichter. Die Bäume schrumpfen. Kämpfen um Platz. Krüppelkiefern. Struppige graue Fichtenzweige. Hagere junge Birken, bei denen das nicht weggewehte Laub vor dumpfem Grün und Grau gelb leuchtet. Weiter als fünf Meter kann man nicht sehen. Und meistens nicht einmal so weit.
Dann hört er die Hunde, hört sie dreimal scharf anschlagen. Danach ist alles still.
Er weiß, was das bedeutet. Sie haben den Bären gestellt. Ihn von seinem Krankenlager aufgescheucht. Wenn sie den scharfen Geruch eines verletzten Bären wittern, bellen sie immer einige Male.
Nach ungefähr zwanzig Minuten hört er die Hunde abermals bellen. Diesmal ausdauernd. Sie haben den Bären eingeholt. Er wirft einen Blick auf das GPS . Anderthalb Kilometer weiter. Sie bellen, während sie weiterlaufen, nehmen bellend die Verfolgung auf. Immer weitergehen. Es bringt nichts, sich jetzt schon abzuhetzen. Er hofft, dass die junge Hündin nicht zu nahe an den Bären herangeht. Sie ist ein wenig hitzig. Die andere arbeitet ruhiger. Schlägt im Stehen an und arbeitet auf sichere Entfernung. Selten geht sie näher als drei Meter an die Beute heran. Jetzt bleibt sie sicher auf vier, fünf Meter. Ein waidwunder Bär kennt keine Geduld.
Nach einer halben Stunde schlägt das Bellen in Standgebell um. Jetzt stehen Bär und Hunde still.
Klar doch. Im wildesten Dickicht. Nichts als Gestrüpp und Elend und überhaupt keine Sicht. Er geht weiter und ist jetzt nur noch zweihundert Meter entfernt.
Der Wind kommt von der Seite. Das macht nichts. Der Bär kann seine Witterung eigentlich nicht aufnehmen. Er entsichert das Gewehr. Geht weiter. Sein Herz klopft.
Schon okay, denkt er. Er wischt sich die Hand am Hosenbein ab. Ein wenig Adrenalin gehört dazu.
Noch fünfzig Meter. Er kneift die Augen zusammen, starrt aus dem Dickicht zu den Hunden hinüber. Beide tragen Westen, die auf der einen Seite neongrün sind, auf der anderen neonorange. Um sie vom Bären unterscheiden zu können, wenn es drauf ankommt. Und um zu sehen, in welche Richtung der Hund blickt.
Jetzt sieht er da vorn etwas Orangenes aufleuchten. Welcher Hund mag das sein? Das ist nicht zu erkennen. Der Bär steht gewöhnlich zwischen den Hunden. Patrik hält Ausschau, kneift die Augen zusammen, geht so leise wie möglich zur Seite. Bereit zu schießen, zu laden, wieder zu schießen.
Der Wind schlägt um. Im selben Moment entdeckt er den zweiten Hund. Die beiden stehen zehn Meter auseinander. Irgendwo dort muss der Bär sein. Aber den sieht er nicht. Muss näher heran. Doch jetzt hat er den Wind schräg im Nacken. Das ist nicht
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