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Depeche Mode

Depeche Mode

Titel: Depeche Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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verläßt den Weg und geht direkt zum Wasser, ich habe Mühe hinterherzukommen, ich folge ihr und sehe, wie ihr schwarzer Badeanzug glitzert, damals, Ende der Siebziger war das Mode, ihr Badeanzug ist besonders – gelbe, rote und orange Blätter auf schwarzem Grund, Herbstlaub wie im November, obwohl im November ja eigentlich keiner baden geht, trotzdem richtiges Herbstlaub auf ihrem Körper, ihr Körper ist schön und kräftig, das Laub steht ihr gut, das merke sogar ich mit meinen sechs Jahren, sonst würde ich ihr gar nicht folgen, das Wasser hat sich noch nicht erwärmt, das Ufer ist kalt und leer, meine Freundin erreicht das Wasser und geht langsam hinein, ich beobachte, wie ihre Füße, die langen samtigen Waden, ihre Knie, ihre Oberschenkel langsam verschwinden, endlich läßt sie sich ins Wasser fallen und ertränkt ihr ganzes Laub darin – das gelbe, das rote und das orange, sie dreht sich zu mir – he, ruft sie, los, komm her, mir ist kalt, sage ich vom Ufer, Quatsch, ruft sie, überhaupt nicht kalt, komm her, sie schwimmt zur Mitte des Flusses, die Strömung trägt sie fort, plötzlich kriege ich Angst, daß sie abgetrieben wird und ich hier allein und verlassen am Ufer zurückbleibe, am kalten, tiefen Wasser, das wer weiß wohin strömt, ich halte das nicht mehr aus, springe und vergesse dabei sogar, daß ich gar nicht schwimmen kann, ich bewege mich in ihre Richtung, sie sieht mich und schwimmt ans Ufer, ich schlage mit den Armen aufs Wasser, tue mein Bestes, um nicht schon hier, wo es noch seicht ist, Wasser zu schlucken, endlich kommt sie angeschwommen, schöpft Atem, gib mir die Hand – ruft sie fröhlich, ich strecke ihr die Hand hin, und da platze ich, und dieses ganze Wasser um mich herum, es fließt in eine Richtung, immer in eine Richtung, und mir wird davon so wohl, als ob ich nicht sechs, sondern schon sechzehn wäre wie meine Freundin, wie meine Big White Mommy, die mich gegen den Strom schleppt und so fest an der Hand hält, daß ich kommen würde, wenn ich nur könnte, aber ich halte mich an ihr fest und kann nicht kommen, kann einfach nicht kommen schon mein ganzes Leben lang.
     
    – Kasse, – sagt er. – Gemeinschaftskasse, in die alle gemeinschaftlich einzahlen. Kürzel: GK.
     
    Nachdem er mich und Wasja verloren hat, klammert sich Tschapaj verzweifelt an seinen letzten Gesprächspartner – Dog.
     
    – Arbeiterkasse, – sagt Tschapaj. – Keine Banken. Banken sind Beschiß.
    – Fiktion, – souffliert Dog.
    – Genau.
     
    Sie schweigen einen Augenblick, ich döse wieder weg, da sagt Tschapaj:
     
    – Im Prinzip, – sagt er, – gibt’s hier auch eine Kasse. Dogs Blick wandert verwirrt durchs Zimmer.
    – In der Fabrik, – erklärt Tschapaj. – Unser Direktor hat sie im Büro des Parteikomitees. Des ehemaligen Parteikomitees, – fügt er hinzu.
    – Und? – Dog spitzt die Ohren. Auch ich wache auf.
    – Im Prinzip, – sagt Tschapaj, – ist Wochenende, der Werkschutz hockt im Wachhäuschen rum. Zweimal pro Schicht machen sie eine Runde über das Gelände. Ich kenne die Zeiten und die Route.
    – Und?
    – Im Prinzip, – erklärt Tschapaj, – ist es nicht sein Geld. Er hat es nicht mit seiner Hände Arbeit verdient. Es ist Arbeitergeld. Gemeinschaftsgeld.
    – Wie bei Marx? – fragt Dog.
    – Wie bei Marx, – stimmt Tschapaj zu. – Wir können es uns also nehmen.
    – Seid ihr bescheuert? – Plötzlich bin ich hellwach. – Die schnappen uns doch sofort. Du, – sage ich zu Dog, – raffst du das etwa nicht? Er hier ist ja nicht ganz dicht mit seiner PeCh, übrigens unterhält er sich gar nicht mit dir, sondern mit Karl Marx, und das auch noch in der Hamburger Periode.
    – Quatsch nicht rum, – Tschapaj ist beleidigt. – Keiner schnappt dich. Es gibt nur zwei Sicherheitsleute. Die Fabrik wird dauernd beklaut, vor allem vom Direktor. Kaum mehr was zum Klauen übrig inzwischen.
    – Sag mal, – frage ich, – warum, verdammte Scheiße, sollten wir dort einsteigen?
    – Hab heute gesehen, – Tschapaj senkt die Stimme, – wie der Direktor was verpackt hat.
    – Und was?
    – Weiß nicht. Vielleicht Knete, vielleicht Stereoanlagen. Heute früh waren Aktionäre bei ihm, haben einen Kleinbus hergekarrt und irgendwelche Kisten eingeladen. Als der Bus ganz voll war, sind sie weggefahren. Ein paar Kisten sind übriggeblieben, hab ich selber gesehen.
    – O ja, – sage ich. – Da sind vielleicht Kugellager drin, und dafür sollen wir unseren Arsch riskieren?
    –

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