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Depeche Mode

Depeche Mode

Titel: Depeche Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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vergoldet ist, das würde bedeuten, daß bei ihnen alles anders ist, diese, wie heißen sie gleich, Propheten hätten die Ankunft eines Jungen vorhergesehen – eines eigentlich ganz normalen orientalischen Jungen, der sich physiologisch, oder sagt man, anatomisch, überhaupt nicht von seinen Schulkameraden unterscheidet, außer daß er vergoldet ist, also nicht aus Metall, nicht aus angestrichenem Eisen, sondern einfach nur vergoldet, seine Haut hätte irgendeine andere Atom- oder Zellstruktur, irgendwas mit dem Kalium- oder Salzgehalt der Haut, chemischer Kram, muß Tschapaj fragen, der kennt sich mit Chemie aus, ob man goldene Haut genetisch züchten kann und wieviel das den Staat kosten würde.
     
    23.05
    Jesus kann nicht vergoldet sein – sagt Jesus zu mir. Warum nicht? wundere ich mich. Das geht nicht, sagt er, es paßt nicht. Warum denken dann die Roma, daß du vergoldet bist? Die Roma, sagt er, wissen, daß ich nicht vergoldet bin, aber das verbergen sie vor den anderen. Warum? wundere ich mich. Um sich abzugrenzen, die Roma, – sagt Jesus, – sind korporatistisch veranlagt, sie brauchen das nicht, daß andere ihren Glauben akzeptieren, verstehst du? Sie haben extra ein vergoldetes Abbild von Jesus geschaffen, damit alle denken, daß die Roma glauben, daß Jesus vergoldet ist. In Wirklichkeit wissen sie besser als alle anderen, daß ich nicht vergoldet bin. Deshalb haben sie es leichter als ihr anderen, verstehst du? Verstehe, sage ich, verstehe. Aber trotzdem – warum bist du nicht vergoldet?
    Aber Jesus antwortet nicht. Ich sehe nur die schwangere Maria vor mir, unter ihrer Haut, in ihrem Bauch der kleine, ungeborene Jesus und erzählt mir was, schließlich aber schweigt er, hab ihn wohl enttäuscht, deshalb dreht er sich nur wohlig unter der Haut seiner Gottesmutter, wendet sich wie ein Astronaut im Zustand der Schwerelosigkeit, berührt mit den Lippen, dem Rücken und anderen Teilen seines Raumanzugs die dünnen, nachgiebigen Wände, die ihn umgeben, schwimmt im Mutterleib, manchmal schwimmt er an die Oberfläche und stößt sie von innen, dann beult sein Beinchen, sein Köpfchen oder die Antenne Marias Körper aus, wie aus einem Gummiball taucht aus ihren Brüsten oder ihrem Bauch Jesus auf, der im Unterschied zu mir weiß, daß in Wirklichkeit überhaupt kein Körper existiert – nicht meiner, nicht der von Maria, nicht sein eigener, und daß die Roma diese ganze Haut nur deswegen über die gebrechlichen und schmerzenden Körper unserer Lieben und unserer Leiden gezogen haben, damit niemand erfährt, daß uns in Wirklichkeit nichts begrenzt, du kannst fließen wohin du willst – keine Wände, keine Verbote, nichts, was dich aufhalten könnte; als er wieder ihre Haut ausbeult, direkt unter der Kehle, lacht Maria fröhlich und ihre scharfen Zähne blitzen, und ich sehe, wie ihr Gaumen irgendwo von unten weich-golden angeleuchtet wird, dieser goldene Strahl vermischt sich mit der dicken weißen Milch in ihren Lungen, das Leuchten wird dunkel und verläuft, und ihre Augen sind grün, unermeßlich grün.
    19.06.93 (Samstag)
     
    2.15
    – He, – entweder wir gehen die Tür aufbrechen, oder wir hauen ab nach Hause. Ich bin ganz naß. Und Dog ist sowieso schon tot.
     
    Tschapaj nähert sich Dog und berührt ihn angewidert mit seinem Turnschuh.
     
    – Quatsch, – sagt er. – Schläft nur fest.
     
    Der Regen tropft weiter, okay, sagt Tschapaj, vielleicht können wir schon, du orientierst dich also, sage ich, an den Sternen? an welchen Sternen, Tschapaj ist beleidigt, ich habe einfach gehört, wie der Werkschutz vor fünfzehn Minuten seine Runde gemacht hat, also können wir gehen – wir wecken Dog, der versteht zuerst nicht, wo er ist und wer wir sind, kommt aber langsam zu sich und wir klettern ins Gebäude.
     
    2.25
    Das Partkom ist im ersten Stock. Wir stehen vor der Tür, also, erklärt Tschapaj, du – er zeigt auf mich – stehst unten Schmiere, du – er zeigt auf Dog – hilfst mir, ich suche was Schweres und wir hauen damit gegen die Tür, laß nur, sagt Dog und sprengt die Tür mit einem Tritt, – was sollen wir hier noch ne halbe Stunde rumwichsen, ich lächle zufrieden, ich hätt sie selbst eingetreten, – sagt Tschapaj, – aber ich hab Turnschuhe an, ja, füge ich hinzu, und Tripper. Wir durchwühlen eilig den ganzen Raum – zwei Schränke mit Akten, in einem eine angebrochene Flasche Kognak, Dog steckt sie sofort in die Tasche, ein Tisch mit Schubfächern rechts und links,

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