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Depeche Mode

Depeche Mode

Titel: Depeche Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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– Das Proletariat ist autark. Deswegen ist das Prinzip der Autonomen Sektionen, der sogenannten AuS, ideal passend und ideologisch richtig. Die Autonome Sektion ist an sich auch autark.
    – Hör mal, – sage ich, – dein Marx ist ja ein richtiger Buddha.
    – Von Engels ganz zu schweigen, – fügt der schlafende Wasja hinzu.
    – Also. Jede AuS bildet sich nach dem Prinzip des Ameisenhaufens. Am Anfang steht ein Einzelunternehmen, also ein Betrieb, eine Fabrik oder so ein Stuß. Um diesen Stuß herum sammelt sich die AuS wie Ameisen um den Ameisenhaufen.
    – Wirklich? – frage ich. – Und wer übernimmt die Rolle der Ameisenkönigin?
    – Das Parteikomitee, – schlägt Wasja vor.
    – Ach ja, – sage ich. – Alle ficken also das Parteikomitee?
    – Das Parteikomitee, – wiederholt Tschapaj überzeugt.
    – Okay, – ich willige ein. – Und weiter?
    – Nichts weiter, – sagt Tschapaj. Wenn wir Marx glauben, funktioniert das Leben der Gesellschaft nach eben diesem Prinzip.
    – Und was ist mit dem Staat? – frage ich.
    – Staat braucht man nicht. Staat ist in diesem System überflüssig. Staat ist auch Fiktion. Du, zum Beispiel, – Tschapaj wendet sich an Dog und versucht dabei, ihm den Joint abzuluchsen, – brauchst du etwa Staat?
    – Nein, – sagt Dog, – brauche ich nicht.
    – Und du? – Tschapaj wendet sich mir zu, behält den Joint aber mit einem Auge im Blick.
    – Na, vielleicht auf primitivem Niveau, – sage ich, – also minimal …
    – So, – sagt Tschapaj feierlich und entreißt Dog den Joint.
    – Genau. Primitiv. Genau davon rede ich. Nur primitive Macht ist notwendig, Macht, die nach einem autonomen Prinzip gebildet ist. Alles andere ist Fiktion. Die andere, strukturierte Macht funktioniert nicht. Folglich braucht man sie nicht, – er überreicht mir den Joint wie einen Fernsehpreis, der mir verliehen wurde. Wasja haben wir ganz vergessen, er uns auch. Insgesamt, – führt Tschapaj weiter aus, – sind die meisten Strukturen und Institutionen überflüssig, deswegen muß man die ganze Scheiße zerkleinern und Schritt für Schritt vernichten.
    – Und was schlägt dein Marx statt dessen seinem Engels vor? – frage ich.
    – PeCh, – sagt Tschapaj.
    – Was? – sogar Dog fragt nach.
    – Proletarische Charta, – sagt Tschapaj.
    – Proletarische Charta heißt PC und nicht PeCh, – sage ich.
    – Ja, ich weiß, – sagt Tschapaj. – Klingt aber besser. Das PeCh-Prinzip setzt alles in Gang, die Charta übernimmt dabei die Rolle eines elementaren vereinigenden Mechanismus. Jedes weitere Anwachsen des Kapitals wird verhindert, und sein allmählicher Zerfall setzt ein.
    – Wie das?
    – Alles ganz einfach, – Tschapaj schlürft wieder aus dem blutigen Glas. Das vorherige grundlose und schlecht motivierte Kapitalwachstum hat im Prinzip zu einem Überangebot an Instrumenten zur Sicherung der Lebensfunktionen geführt, mit der Folge, daß der Zerfall der angehäuften Vorräte als der einzig logische Ausweg angesehen werden muß.
    – Wieso das?
    – Also, – versucht uns Tschapaj zu erklären, – einfach ausgedrückt – es muß in Wirklichkeit gar nichts mehr produziert werden. Jede einzelne AuS kann problemlos einige Jahrzehnte auf Kosten des bestehenden Potentials leben. Das führt zu einer wesentlichen Vereinfachung der Funktionsmechanismen der Gesellschaft. Praktisch bedeutet das etwa folgendes – nehmen wir, zum Beispiel, unsere Fabrik. Um sie herum bildet sich eine AuS, sie wird ihrerseits der städtischen PeCh untergeordnet, jede AuS kriegt eine Anzahl von Objekten der städtischen Infrastruktur zugewiesen, übernimmt die Kontrolle und wirtschaftet alles runter.
    – Wieso? – Ich begreife es nicht.
    – Darin besteht das Wesen des Prinzips des permanenten Piep-Schnurzismus, – sagt Tschapaj. Wir zerstören die Strukturen und ernähren uns von den so gewonnenen Rohstoffen. Plündern zum Beispiel eine Bank und verbrauchen das Geld für das Leben und das Funktionieren der AuS, plündern Einkaufszentren und verteilen die Klamotten gerecht unter den AuS-Angehörigen, wir plündern Büros und nehmen alle Stereoanlagen und elektrischen Geräte mit, wir erbeuten Autos und setzen sie für die Zwecke der Struktur ein.
    – Plündert einen Bauernbetrieb und gebt jedem eine Kuh, – schaltet sich plötzlich Dog ein.
    – Ja, – sagt Tschapaj, – genau. Kurz gesagt, die Genossen aus dem Gebietskomitee Donezk haben dem Ganzen eine konkrete wirtschaftstheoretische Grundlage

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