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Depeche Mode

Depeche Mode

Titel: Depeche Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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Brücke zur Außenwelt, zum Beispiel habe ich von ihr gelernt, daß man auch einfach so Taxi fahren kann, nicht nur, wenn man zu spät zum Bahnhof kommt oder betrunken heimgebracht wird. Man geht einfach aus dem Haus und muß irgendwo hin, also nimmt man ein Taxi. Und das Komischste ist – das Geld zahlt man dem Taxifahrer am Ende der Fahrt – früher wußte ich nicht, daß das geht, sie war die erste, die es mir gezeigt hat. Und das, obwohl sie sogar jünger ist als wir alle zusammen. Erst sechzehn. Die Sache ist die – ihr Vater ist aus dem Kaukasus, keine Ahnung, Georgier oder Aseri, ich glaube Georgier, kenn mich aber nicht so aus, kurz gesagt, er ist General, ein echter General mit der entsprechenden Menge Kanonenfutter in den Kasernen und Flugzeugen im Hangar, die erste Hälfte seines Arbeitslebens als Offizier ist er durch die Union gehüpft, hat, wenn ich recht verstehe, den friedlichen Himmel unseres VATERLANDES behütet, die letzten zehn Jahre ist er in Charkiw hängengeblieben, hat sich scheiden lassen, die einzige Tochter wurde älter und hatte von beiden die Nase voll, der General kaufte ihr eine coole Zweizimmerwohnung in einem hippen Haus am Platz, mit Blick auf die Munizipalität, allerdings im Dachgeschoß, direkt unter dem Turm, für etwas Erdnäheres reichte seine Knete nicht, nicht genug Raketen zum Verscherbeln, aber trotzdem affengeil, Marusja ging in eine elitäre Schule, hatte einen Haufen Knete, vor einem Jahr hätte sie fast ein Kind gekriegt, mit fünfzehn, der Generalsvater konnte sie kaum überreden, abtreiben zu lassen, schenkte ihr dafür einen Schiguli, Marusja stimmte erstaunlich schnell zu – ließ abtreiben, demolierte den Schiguli und lebte weiter ihr Leben, das sie, mit angeborener kaukasischer Weisheit und Lebensfreude, rechtzeitig in Schönes und Nützliches teilte – das Schöne waren in diesem Fall die elitäre Schule, die Zweizimmerwohnung und der demolierte Schiguli, und das Nützliche – der ganze Müll und Unrat, mit dem sie es in ihrer Freizeit zu tun hatte – Marusja kannte Sascha Tschernezkyj, ging auf Punk-Konzerte, fraß Tabletten, rauchte Shit, trank billigen Portwein, allerdings ohne abhängig zu werden, das heißt, morgens kotzte sie die Reste des schlechten Alkohols ordentlich aus und ging was über Lobatschewski lernen oder was man ihnen dort in der Schule sonst so beibringt. Mit einem Wort – Paranoia, typische Paranoia, aber dafür mochten wir sie. Von Zeit zu Zeit konnte man bei ihr reinschneien, wenn man vorher angerufen und sich vorgestellt hatte – sie konnte sich nicht an alle von uns erinnern, obwohl sie mit jedem mal gepennt hatte, für sie war es nicht Sex, für sie war es etwas viel Interessanteres, keine Ahnung was. Wir soffen in ihrer schicken Wohnung, schrien auf ihrem Balkon mit Blick auf die Munizipalität herum, schauten ihre Videos an und schliefen dann in ihrem Bett ein, manchmal sogar ohne sie. Mir gefiel dabei nicht mal so sehr der Sex wie die Möglichkeit, mit jemandem aufzuwachen, nicht einsam, nicht allein mit meinem Kater und meinen schrägen Träumen, mit jemandem aufwachen ist immer cooler, selbst wenn es Marusja ist, die nicht mehr weiß, wie du heißt und was du gestern mit ihr gemacht hast. Wir alle sind ihr total egal, vielmehr sie macht uns jedesmal fertig, sagt etwas wie – daß ihr mich gestern alle gehabt habt, heißt nur, daß ihr jetzt alle eure versifften Klamotten nehmt, die ganzen leeren Flaschen, euer ganzes Cannabis, eure ganzen Hämorrhoiden, eure ganze Scheiße und abhaut in eure Kloake, nur ich – Marusja – bleibe hier, mache mir ein Milchshake und betrachte die morgendliche Munizipalität, wo jetzt gleich alle möglichen Abgeordneten oder einfach nur zufällige Arschlöcher ankommen, das hat schon immer gewirkt – mich zumindest hat es jedesmal fertig gemacht, jedesmal, plötzlich schnalle ich, was mir meine Eltern alles nicht über mich gesagt haben, keine Ahnung warum nicht, vielleicht tat ich ihnen einfach leid.
    Wie auch immer, aber ohne Anruf braucht man gar nicht bei ihr aufzutauchen, man könnte auf den alten General stoßen, obwohl ich ihn ehrlich gesagt nie gesehen habe, Marusja hat das alles fein säuberlich getrennt, sie liebte sich und ihr Leben, und überflüssige Haare konnte sie ganz offensichtlich nicht brauchen in ihrer Suppe, außerdem hatte der Alte wohl selbst den Verdacht, daß seine geliebte Tochter die Garnisonsordnung nicht immer einhielt, weswegen auch er immer vorher anrief,

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