Depeche Mode
mal.
– Hm?
– Vielleicht nimmst du uns Molotow ab?
– Molotow? – fragt sie nach.
– Ja. Molotow. Super ätzend, ihn mit rumzuschleppen, und dir gefällt er vielleicht. Immerhin ZK-Mitglied.
Marusja kommt zu mir, schaut sich Molotow genau an, fährt mit den Händen über sein Gesicht und sagt:
– Gut. Ich nehme ihn. Er gefällt mir – sieht aus wie mein Vater. Der hat genau so einen Scheiß auf der Jacke.
– Das ist kein Scheiß, – sage ich. – Das ist ein Leninorden.
Gut, sagt Marusja, grad egal – hier habt ihr Geld – sie steckt mir einen Schein zu, ich kann euch hinfahren, sonst greifen sie sich euch noch im Hausflur, stell, – sagt sie zu mir, – stell Molotow auf den Balkon, er gehört jetzt mir, gehorsam trage ich Molotow auf den Balkon, und wir gehen runter, Marusja führt uns zur Garage, das Garagentor ist mit Eisen und Kupfer beschlagen, ein echtes Tor zur Hölle, hinter solchen Toren sind Drachen versteckt, oder Atombomber, mit einem Wort, irgendwas Apokalyptisches. Lustig, daß Marusja dort nur ihren demolierten Schiguli stehen hat, im Tor selbst ist eine – kleinere – Tür, auch eisenbeschlagen, Marusja öffnet die Tür, kommt rein – sagt sie, vielleicht, sagt Wasja, machen wir das Tor auf, kommt rein, sagt Marusja, ich mach selbst auf, sonst sieht noch jemand, wie ihr euch bei der Garage rumtreibt – fängt an, dumme Fragen zu stellen, ich mach’s schon selbst, setzt euch ins Auto, wir betreten die dunkle Garage und sehen dort wirklich den demolierten, aber noch absolut kampftauglichen Schiguli und quetschen uns zu dritt auf den Rücksitz – ich, Wasja Kommunist und Dog Pawlow, Dog will sich zuerst vorne hinsetzen, aber die rechte Seite ist total eingedellt, also nehmen wir Dog zu uns, sozusagen auf den Schoß. Marusja steht eine Zeitlang am Tor, holt irgendwo aus der Tasche ihrer Jeans, einen angerauchten Joint, raucht ihn schnell fertig, und plötzlich fällt ihr ein, daß sie etwas vergessen hat, irgendwas hab ich vergessen, denkt sie, bloß was? warum steh ich bei der Garage, vielleicht wollte ich wegfahren, aber wohin? denkt sie, kommt nachdenklich in die Garage und setzt sich ans Steuer, was ist, Marusja, schreit Dog sie genervt an, fahren wir? klar, reagiert Marusja auf diese Aufforderung, läßt den Motor an und legt den Rückwärtsgang ein. Das Tor zu öffnen hat sie natürlich vergessen.
14.45
– Kannst du aussteigen? – frage ich.
– Kann ich, kann ich, – sagt Marusja. – Alles in Ordnung.
– Geh heim, – sagt Wasja zu ihr. – Schaffst du es allein?
– Schaff ich, – sagt Marusja.
– Schaffst du es auch wirklich? – fragt Wasja.
– Mhm, – sagt sie und versucht wieder, das Auto zu starten.
Wasja lehnt sich vor und nimmt ihr den Schlüssel weg. Gemeinsam ziehen wir unsere Freundin vom Pilotensitz, schließen die Garage hinter uns ab, legen ihr die Schlüssel in die Hände und gehen, dabei denken wir – schafft sie es oder nicht, und wenn ja – wohin, aber bis wir auf dem Platz sind und von dort am Gebäude gegenüber der Munizipalität hochschauen, ist Marusja auf wundersame Weise auf ihren Balkon gelangt und sitzt schon dort, an Molotow geschmiegt, zwei unglückliche, zugekiffte Wesen – Marusja in löchrigen Markenjeans und einem Rolling-Stones-T-Shirt, und Molotow, ZK-Mitglied, alter Hedonist und Cocktail-Liebhaber – näher am Himmel, wenn auch nur ein paar Meter, aber trotzdem – näher dran.
Zweiter Teil
DER FLUSS, DER GEGEN DIE EIGENE
STRÖMUNG FLIESST
15.15
Ich klingle lange und ausdauernd, habe keine andere Wahl, klar – wenn er nicht da ist, dann müssen wir heimgehen, und dort erwartet uns wer weiß was, überhaupt – dann verliert der ganze Zauber seinen Sinn, wieso ziehen wir dann schon den zweiten Tag durch die Stadt, versuchen, die ziemlich beschissene Lage irgendwie zu verbessern, also Hauptsache, er ist da, aber keiner macht auf, und ich denke schon, na, okay, Satz mit x, sollen sie den Stiefvater halt begraben, und überhaupt, er kann ja nach vierzig Tagen zum Totengedenken kommen, wenn sie ihn so brauchen, können ja all das für ihn festhalten, die Asche fotografieren, oder auf Video aufnehmen, so daß der am Boden zerstörte Zündkerze die traurige Zeremonie an langen Winterabenden anschauen kann, vor dem Einschlafen, schließlich hält es Dog nicht mehr aus und tritt gegen die Tür, ich will ihn beruhigen, aber nun ist hinter der Tür ein Rascheln zu vernehmen, jemand kommt, die Tür
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