Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
nahm wegen des immer stärker werdenden Stresses und der sich anbahnenden Krankheit von Tag zu Tag ab.
Einmal ließ ich mich vom Glamour einer Firma so blenden, dass ich den angebotenen Job annahm, obschon die Firma einen Chemiker gebraucht hätte statt eines Elektroingenieurs, wie ich es war. Das Resultat war, dass ich mich zwei Jahre mit Verkaufs- und Anwendungsproblemen abmühen musste und mich in der mir fremden Welt der organischen Chemie nie heimisch fühlte. Eine Depression war die Folge.
Ein andermal – in einer Schlüsselposition beim übernächsten Arbeitgeber – wurde der Druck von überall auf mich hereinstürzenden kritischen Situationen, Notfällen und dringendst zu lösenden Problemen so groß, dass ich es eines Tages nicht mehr schaffte, mich dieser Flut von übermächtigen Schwierigkeiten zu stellen und weiterzukämpfen.
Die Gründung einer eigenen Firma, zusammen mit einem Partner, war eine glückliche Idee. Wir fingen ganz klein an und hatten die üblichen Startprobleme, da wir viel zu finanzschwach waren, um das Bild einer vertrauenerweckenden Unternehmung zu vermitteln. So wuchsen wir langsam aber organisch zu einer ansehnlichen kleinen, europaweit tätigen Gruppe von vier Handelsfirmen heran.
Nach 18 erfolgreichen Jahren holte mich dann die Krankheit doch wieder ein. Wegen politischer Ereignisse bezahlte ein staatlicher Kunde bereits gelieferte Prozess-Systeme nicht. Da die ausstehende Geldsumme sehr hoch war, setzte uns die Lieferfirma unter dermaßen großen Druck, dass ich wieder in eine Depression fiel. Glücklicherweise verkraftete mein damaliger Partner diese Schwierigkeit, führte die Firma während meiner Abwesenheit weiter, und mithilfe unseres Rechtsberaters verzog sich schließlich die schwarze Wolke. Damit verabschiedete sich aber die Depression noch nicht, die Heilung benötigte ihre Zeit.
Schatten über Frau und Töchtern
1955 heiratete ich Antonie Eberli, die ebenfalls aus der Stadt Bern stammt. Wir haben drei Töchter und fünf Enkelkinder. Wir wohnen in Unterägeri (Kanton Zug, Schweiz), reisen viel und halten uns gern in unserer Bleibe in Italien auf. Segeln sowie Musik machen und genießen sind unsere gemeinsamen Hobbys.
Wie haben meine Partnerin und meine Kinder meine Depressionen bewältigt? Tonie schreibt dazu:
»Zu Johns Depressionen und Manien kann ich aus den vielen Notizen, die ich zeitweilig gemacht habe, Folgendes herauskristallisieren: Ich war hilflos, mutlos, überfordert als Partnerin, als Johns alleiniges Gegenüber im Alltag. Ich musste immer bereit sein, allen Stimmungen standzuhalten. Ich habe Unterstützung von außen beansprucht, auch meine Tochter Monica und mein Schwiegersohn waren mir eine Hilfe und gaben mir den nötigen Zuspruch. Die Notizen zeigen auch, dass ich oft unsicher war, wie gewöhnliche Eheprobleme abzugrenzen waren von depressiven und manischen Stimmungen.
Die Manien waren sogar schwieriger zu ertragen als die Depressionen: Da kam die Angst dazu, wenn John mit dem Auto unterwegs war und »alle Signale überfuhr«. Ich hatte auch gute Freundinnen, denen ich alles erzählen konnte und die mir einfach zuhörten. Meine Mutter war absolut keine Hilfe – sie ertrug solche Zustände nicht und sagte mir das auch deutlich. Ich wusste genau, dass Depressionen im Suizid enden können, aber ich hatte immer das Gefühl, dass John und ich diese Schwelle nie erreichen würden.
Ich kann mich an einen Abend erinnern, da John sehr unruhig war, wirr redete und nach einem Gewehr verlangte. Wir wohnten damals in einem zweistöckigen Haus, sein Psychiater wohnte gleich nebenan – ich hätte ihn jederzeit rufen können. John war aber so aufgebracht, dass ich mit ihm Arm in Arm auf dem Flur im ersten Stock hin- und herging und versuchte, ihn durch die körperliche Bewegung langsam wieder zu beruhigen. Das gelang mir dann auch. In dieser Phase hätte ich auch nicht zum Telefon gehen können, um Hilfe zu holen. Später habe ich keine solchen Zustände mehr erlebt. Was in seinem Inneren vor sich ging, konnte er kaum ausdrücken.
Ich hatte verschiedene Aktivitäten außer Haus: Mädchen für alles in unserer Firma, Präsidentin einer Stiftung, in der unerfreuliche Zustände herrschten, Behindertentransport-Fahrerin und politische Tätigkeit. Ich musste also immer funktionieren, habe aber offen von Johns Krankheit erzählt. Das war ein wichtiger Schritt gegen die Tabuisierung.«
Die älteste Tochter akzeptierte, was ihre Mutter ihr über die Krankheit und
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