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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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Gleichwie aber meine Erfahrenheit schlecht und gering war, also konnte ich auch nichts Rechtschaffenes schließen, das beste war, daß ich mich Gott befahl, und mein Vertrauen allein auf ihn zu setzen wußte, sonst hätte ich ohn Zweifel desperieren und zu Grund gehen müssen. Überdas lagen mir die Sachen, so ich denselben Tag gehöret und gesehen, ohn Unterlaß im Sinn, ich dachte nicht so viel um Essenspeis und meiner Erhaltung nach, als derjenigen Antipathia, die sich zwischen Soldaten und Bauren enthält, doch konnte meine Alberkeit nichts ersinnen, als daß ich schloß, es müßten ohnfehlbar zweierlei Menschen in der Welt sein, so nicht einerlei Geschlechts von Adam her, sondern wilde und zahme wären, wie andere unvernünftige Tier, weil sie einander so grausam verfolgen.
    In solchen Gedanken entschlief ich vor Unmut und Kälte, mit einem hungerigen Magen, da dünkte mich, gleichwie in einem Traum, als wenn sich alle Bäum, die um meine Wohnung stunden, jähling veränderten, und ein ganz ander Ansehen gewönnen, auf jedem Gipfel saß ein Kavalier, und alle Ast wurden anstatt der Blätter mit allerhand Kerlen geziert; von solchen hatten etliche lange Spieß, andere Musketen, kurze Gewehr, Partisanen, Fähnlein, auch Trommeln und Pfeifen. Dies war lustig anzusehen, weil alles so ordentlich und fein gradweis sich auseinanderteilete; die Wurzel aber war von ungültigen Leuten, als Handwerkern, Taglöhnern, mehrenteils Bauren und dergleichen, welche nichtsdestoweniger dem Baum seine Kraft verliehen, und wieder von neuem mitteilten, wenn er solche zuzeiten verlor; ja sie ersetzten den Mangel der abgefallenen Blätter aus den ihrigen, zu ihrem eigenen noch größeren Verderben; benebens seufzeten sie über diejenigen, so auf dem Baum saßen, und zwar nicht unbillig, denn die ganze Last des Baums lag auf ihnen, und drückte sie dermaßen, daß ihnen alles Geld aus den Beuteln, ja hinter sieben Schlössern hervorging; wenn es aber nicht hervor wollte, so striegelten sie die Commissarii mit Besen, die man militärische Exekution nennete, daß ihnen die Seufzer aus dem Herzen, die Tränen aus den Augen, das Blut aus den Nägeln, und das Mark aus den Beinen herausging; noch dannoch waren Leut unter ihnen, die man Fatzvögel nennete, diese bekümmerten sich wenig, nahmen alles auf die leichte Achsel, und hatten in ihrem Kreuz anstatt des Trosts allerhand Gespei.

Das 16. Kapitel
    Heutiger Soldaten Tun und Lassen, und wie schwerlich ein gemeiner Kriegsmann befördert werde
    Also mußten sich die Wurzeln dieser Bäume in lauter Mühseligkeit und Lamentieren, diejenigen aber auf den untersten Ästen in viel größerer Müh, Arbeit und Ungemach gedulden und durchbringen; doch waren diese jeweils lustiger als jene, daneben aber auch trotzig, tyrannisch, mehrenteils gottlos, und der Wurzel jederzeit ein schwere unerträgliche Last, um sie stund dieser Reim:
Hunger und Durst, auch Hitz und Kält,
Arbeit und Armut, wie es fällt,
Gewalttat, Ungerechtigkeit,
Treiben wir Landsknecht allezeit.
    Diese Reimen waren um so viel desto weniger erlogen, weil sie mit ihren Werken übereinstimmten, denn fressen und saufen, Hunger und Durst leiden, huren und buben, raßlen und spielen, schlemmen und demmen, morden und wieder ermordet werden, totschlagen und wieder zu Tod geschlagen werden, tribulieren und wieder gedrillt werden, jagen und wieder gejaget werden, ängstigen und wieder geängstiget werden, rauben und wieder beraubt werden, plündern und wieder geplündert werden, sich fürchten und wieder gefürchtet werden, Jammer anstellen und wieder jämmerlich leiden, schlagen und wieder geschlagen werden; und in Summa nur verderben und beschädigen und hingegen wieder verderbt und beschädigt werden, war ihr ganzes Tun und Wesen; woran sie sich weder Winter noch Sommer, weder Schnee noch Eis, weder Hitz noch Kält, weder Regen noch Wind, weder Berg noch Tal, weder Felder noch Morast, weder Gräben, Päß, Meer, Mauren, Wasser, Feuer, noch Wälle, weder Vater noch Mutter, Brüder und Schwestern, weder Gefahr ihrer eigenen Leiber, Seelen und Gewissen, ja weder Verlust des Lebens, noch des Himmels, oder sonst einzig anderer Ding, wie das Namen haben mag, verhindern ließen: sondern sie weberten in ihren Werken immer emsig fort, bis sie endlich nach und nach in Schlachten, Belagerungen, Stürmen, Feldzügen, und in den Quartieren selbsten (so doch der Soldaten irdische Paradeis sind, sonderlich wenn sie fette Bauren antreffen), umkamen,

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