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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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hatte) leben, und also aller Menschen entbehren könnte?

Das 14. Kapitel
    Ist ein seltsame Comoedia, von fünf Bauern
    Damit ich aber diesem meinem Entschluß nachkommen, und ein rechter Waldbruder sein möchte, zog ich meines Einsiedlers hinterlassen hären Hemd an, und gürtet seine Kette darüber; nicht zwar, als hätt ich sie bedurft, mein unbändig Fleisch zu mortifizieren, sondern damit ich meinem Vorfahren sowohl im Leben als im Habit gleichen, mich auch durch solche Kleidung desto besser vor der rauhen Winterskält beschützen möchte.
    Den zweiten Tag, nachdem obgemeldtes Dorf geplündert und verbrannt worden, als ich eben in meiner Hütten saß, und zugleich neben dem Gebet gelbe Rüben, zu meinem Aufenthalt, im Feuer briet, umringten mich bei vierzig oder fünfzig Musketier; diese, ob sie zwar ob meiner Person Seltsamkeit erstauneten, so durchstürmten sie doch meine Hütten und suchten, was da nicht zu finden war, denn nichts als Bücher hatte ich, die sie mir durcheinander geworfen, weil sie ihnen nichts taugten. Endlich, als sie mich besser betrachteten, und an meinen Federn sahen, was für einen schlechten Vogel sie gefangen hätten, konnten sie leicht die Rechnung machen, daß bei mir eine schlechte Beut zu hoffen; demnach verwunderten sie sich über mein hartes Leben, und hatten mit meiner zarten Jugend ein großes Mitleiden, sonderlich der Offizier, so sie kommandierte; ja er ehrte mich, und begehrte gleichsam bittend, ich wollte ihm und den Seinigen den Weg wieder aus dem Wald weisen, in welchem sie schon lang in der Irre herumgangen wären. Ich widerte mich ganz nicht, sondern führte sie den nächsten Weg gegen das Dorf zu, allwo der obgemeldte Pfarrer so übel traktiert worden, dieweil ich sonst keinen andern Weg wußte: Ehe wir aber vor den Wald kamen, sahen wir ohngefähr einen Bauren oder zehen, deren ein Teil mit Feuerrohren bewehrt, die übrigen aber geschäftig waren, etwas einzugraben; die Musketierer gingen auf sie los und schrien: »Halt! halt!« jene aber antworteten mit Rohren: Und wie sie sahen, daß sie von den Soldaten übermannet waren, gingen sie schnell durch, also daß die müden Musketierer keinen von ihnen ereilen konnten; derowegen wollten sie wieder herausgraben, was die Bauren eingescharrt, das schickte sich um so viel desto besser, weil sie die Hauen und Schaufeln, so sie gebraucht, liegen ließen. Sie hatten aber wenig Streich getan, da höreten sie eine Stimm von unten herauf, die sagte: »O ihr leichtfertigen Schelmen! O ihr Erz-Böswichter, vermeint ihr wohl, daß der Himmel euer unchristliche Grausamkeit und Bubenstück ungestraft hingehen lassen werde? Nein, es lebt noch manch redlicher Kerl, durch welche eure Unmenschlichkeit dermaßen vergolten werden soll, daß euch keiner von euren Nebenmenschen mehr den Hintern lecken dürfe.« Hierüber sahen die Soldaten einander an, weil sie nicht wußten, was sie tun sollten: Etliche vermeinten, sie hätten ein Gespenst, ich aber gedachte, es träume mir; ihr Offizier hieß tapfer zugraben: Sie kamen gleich auf ein Faß, schlugens auf, und fanden einen Kerl darinnen, der weder Nasen noch Ohren mehr hatte, und gleichwohl noch lebte: Sobald sich derselbe ein wenig ermunterte, und vom Haufen etliche kennete, erzählet' er, was maßen die Bauren den vorigen Tag, als einige seines Regiments auf Fütterung gewesen, ihrer sechs gefangen bekommen, davon sie allererst vor einer Stund fünfe, so hintereinander stehen müssen, totgeschossen; und weil die Kugel ihn, weil er der sechste und letzte gewesen, nicht erlangt, indem sie schon zuvor durch fünf Körper gedrungen, hätten sie ihm Nasen und Ohren abgeschnitten, zuvor aber gezwungen, daß er ihrer fünfen (s. v.) den Hintern lecken müssen: Als er sich nun von den ehr- und gottsvergessenen Schelmen so gar geschmähet gesehen, hätte er ihnen, wiewohl sie ihn mit dem Leben davonlassen wollten, die allerunnützsten Wort gegeben, die er erdenken mögen, und sie alle bei ihrem rechten Namen genennet, der Hoffnung, es würde ihm etwa einer aus Ungeduld eine Kugel schenken, aber vergebens; sondern nachdem er sie verbittert gemacht, hätten sie ihn in gegenwärtig Faß gesteckt, und also lebendig begraben, sprechend: Weil er des Tods so eifrig begehr, wollten sie ihm zum Possen hierin nicht willfahren.
    Indem dieser seinen überstandenen Jammer also klaget', kam ein andere Partei Soldaten zu Fuß überzwerchs den Wald herauf; die hatten obgedachte Bauren angetroffen, fünf davon

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