Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
»Das Allermindeste ist, dass ich diesem Hirten seinen widerlichen kleinen Kopf abreiße. Dann können sie mich auch totschlagen, und es ist mir ganz gleich.«
Der Wachsoldat lächelte traurig. »Ach, Junge, du redest Unsinn. Hast doch selber gesagt, dass einer Prinz Josua das schwarze Schwert zurückbringen muss.« Er deutete auf Dorn , das in Tücher gehüllt an der Höhlenwand lag . »Wenn der Prinz das Schwert nicht kriegt, sind Ethelbearn und Grimmric umsonst gestorben. Das wäre eine elendeSchande. Zu viele Hoffnungen, auch wenn sie nur gering sein mögen, ruhen auf der Klinge dort.« Haestan lachte. »Und dann, Junge, glaubst du, sie würden einen von uns verschonen, wenn der andere ihren König umbringt? Du würdest mich nur mit ins Verderben reißen.« Wieder stocherte Haestan im Feuer. »Nein, nein, du bist noch nass hinter den Ohren und kennst die Welt nicht. Warst noch nicht im Krieg, Junge, so wie ich – hast nicht gesehen, was ich gesehen hab. Zwei von meinen eigenen Kameraden – hab ich sie nicht sterben sehen, in der kurzen Zeit, die wir von Naglimund weg sind? Der Gute Gott hebt sich seine Gerechtigkeit und was da sonst noch ist für den Tag des Abwägens auf. Bis dahin müssen wir uns selber um alles kümmern.« Er beugte sich vor und erwärmte sich langsam für sein Thema. »Jeder muss sein Bestes tun, aber man kann nicht immer alles ins Lot bringen, Simon …«
Plötzlich stockte er und starrte zur Tür. Simon bemerkte den Ausdruck des Erstaunens im breiten Gesicht des Soldaten und fuhr herum. Jemand hatte sich an der Lederklappe vorbeigeschoben.
»Das Trollmädchen«, hauchte Haestan so leise, als könne sie erschrecken und jäh davonspringen wie ein junges Reh. Sisqinanamooks Augen waren angstvoll aufgerissen, aber Simon sah auch, dass sie entschlossen die Zähne zusammenbiss. Sie schien ihm eher zum Kampf bereit zu sein als zur Flucht.
»Bist du gekommen, um dich an unserem Kummer zu weiden?«, erkundigte er sich zornig.
Sisqinanamook erwiderte standhaft seinen Blick. »Helfen mir«, sagte sie endlich.
»Elysia, Mutter Gottes!«, keuchte Haestan. »Sie kann reden!«
Die Trolljungfrau erschrak über den Ausbruch des Wachsoldaten, blieb aber tapfer stehen. Simon richtete sich vor ihr auf die Knie auf. Kniend war er immer noch größer als Binabiks einstige Verlobte.
»Kannst du unsere Sprache sprechen?«
Einen Augenblick musterte sie ihn ratlos und machte dann ein Zeichen mit ihren gekreuzten Fingern. »Wenig«, erklärte sie. »Wenig sprechen. Lernen von Binabik.«
»Das hätte ich mir denken können«, bemerkte Simon. »Seit ich ihn kenne, versucht er auch mir Sachen einzutrichtern.«
Haestan schnaubte. Simon forderte Sisqinanamook mit einer Gebärde zum Näherkommen auf. Sie glitt von der Türklappe fort und kauerte sich mit dem Rücken an die Wand in die Nähe des Höhleneingangs. Über ihrem Kopf ringelte sich eine aus dem Stein herausgemeißelte Schlange wie ein Heiligenschein.
»Warum sollten wir dir helfen?«, fragte Simon. »Und wobei?«
Sie betrachtete ihn verständnislos. Er wiederholte die Worte langsamer. »Binbineqegabenik helfen«, antwortete sie nach einer Weile. »Mir helfen, Binabik helfen.«
»Binabik helfen?«, zischte Haestan überrascht. »Du selbst hast ihn doch in die Patsche gebracht!«
»Wie?«, fragte Simon weiter. »Wie Binabik helfen?«
»Fortgehen«, erwiderte Sisqinanamook. »Binabik fortgehen Mintahoq.« Sie griff unter ihre dicke Felljacke. Einen Moment lang fürchtete Simon irgendeine Hinterlist – hatte sie genug von ihren Worten verstanden, um zu begreifen, dass Haestan und er über einen Rettungsplan gesprochen hatten? –, aber als ihre kleine Hand wieder zum Vorschein kam, lag ein Knäuel aus dünnem grauem Seil darin. »Binabik helfen«, wiederholte sie. »Ihr helfen, ich helfen.«
»Barmherziger Ädon«, sagte Simon.
Hastig rafften sie ihre Habseligkeiten zusammen und stopften sie, ohne dabei groß auf Ordnung zu achten, in zwei Rucksäcke. Als sie fertig waren und sich die pelzgefütterten Mäntel übergeworfen hatten, trat Simon hinüber in die Ecke des Raumes, in der das schwarze Schwert Dorn lag – der Gegenstand so vieler Hoffnungen. Im matten Schein des Feuers sah es nur wie eine schwertförmige Vertiefung in einem Nest aus Fellen aus. Simon drückte die Finger auf die kalte Oberfläche und erinnerte sich, wie es sich angefühlt hatte, als er es gegen den heranstürmenden Igjarjuk erhob. Es schien sich unter seiner Hand zu
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