Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Adler ist gelandet

Der Adler ist gelandet

Titel: Der Adler ist gelandet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
Von drüben beobachtete ihn Himmler mit kalten, starren Augen. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Ein Toter hätte auf seinem Sessel liegen können, wenn nicht ein Muskel in der rechten Wange unablässig gezuckt hätte.
    Als Canaris das Gebäude der Abwehr am Tirpitz-Ufer 74-76 betrat, war es fast schon hell. Der Fahrer, der ihn in Tempelhof abholte, hatte die beiden Lieblingsdackel des Admirals mitgebracht, und als Canaris ausstieg, tollten sie hinter ihm her, während er strammen Schritts die Wachen passierte.
    Er ging direkt in sein Büro hinauf, zog unterwegs seinen Marinemantel aus und gab ihn der Ordonnanz, die ihm die Tür aufhielt. »Kaffee«, befahl der Admiral. »Literweise Kaffee.« Der Mann wollte bereits die Tür hinter sich schließen, als Canaris ihn zurückrief. »Ist Oberst Radl im Haus?« »Ich glaube, er hat heute in seinem Büro übernachtet, Herr Admiral.« »Schön, sagen Sie ihm, ich möchte ihn sprechen.« Die Tür schloß sich. Er war allein und plötzlich sehr müde, als er sich in den Schreibtischsessel sinken ließ. Canaris pflegte einen schlichten Stil. Das Büro war altmodisch und relativ karg möbliert, der Teppich abgetreten. An der Wand hing ein Porträt Francos mit Widm ung. Auf dem Schreibtisch stand ein marmorner Briefbeschwerer mit drei Bronzeaffen darauf, die nichts Böses sahen, hörten oder sprachen. Er atmete tief, um sich wieder in den Griff zu bekommen. Schwachheiten konnte er sich nicht leisten, denn er bewegte sich auf schmalem Grat in dieser durchgedrehten Welt. Es gab Dinge, von denen er vermutete, daß nicht einmal er sie wissen sollte. Zum Beispiel vor ein paar Monaten der Versuch zweier höherer Offiziere, Hitlers Maschine auf dem Flug von Smolensk nach Rastenburg in die Luft zu sprengen. Dazu kam die ständige Ungewißheit, was passieren mochte, wenn von Dohnanyi und seine Freunde zusammenbrechen und aussagen würden. Die Ordonnanz erschien mit einem Tablett, darauf eine Kaffeekanne, zwei Tassen und ein Kännchen echte Sahne, inzwischen in Berlin eine Rarität. »Stellen Sie es ab«, sagte Canaris. »Ich bediene mich selbst.« Die Ordonnanz zog sich zurück, und als Canaris den Kaffee eingoß, wurde an die Tür geklopft. Der Mann, der das Büro betrat, hätte geradewegs von einer Truppenparade kommen können, so tadellos war seine Uniform. Oberst der Gebirgsjäger, mit dem Orden für den Winterkrieg und dem Verwundetenabzeichen in Silber ausgezeichnet und mit einem Ritterkreuz am Hals. Sogar die Klappe auf seinem rechten Auge wirkte vorschriftsmäßig, desgleichen der schwarze Lederhandschuh an seiner linken Hand.
    »Ah, da sind Sie ja, Radl«, sagte Canaris. »Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit, und machen Sie wieder einen normalen Menschen aus mir. Wenn ich von Rastenburg komme, habe ich immer mehr das Gefühl, ich brauchte einen Wärter... ich oder jemand anderer.« Max Radl war dreißig und sah, je nach Tag und Wetter, zehn bis fünfzehn Jahre älter aus. Er hatte im Winterkrieg 1941 das rechte Auge und die linke Hand verloren und arbeitete seit seiner Abstellung in die Heimat für Canaris. Er war jetzt Chef von Amt III, einer Dienststelle der Z-Abteilung, der Abwehrzentrale, das dem Admiral direkt unterstand. Amt III war für besonders schwierige Aufgaben zuständig, und daher war Radl ermächtigt, seine Nase in jede beliebige andere Abwehrabteilung zu stecken, ein Privileg, das ihn bei seinen Kollegen alles andere als beliebt machte.
    »War es so schlimm?«
    »Schlimmer«, erwiderte Canaris. »Mussolini wirkte wie ein wandelnder Automat, Goebbels hüpfte wie immer von einem Fuß auf den anderen wie ein zehnjähriger Schuljunge, der dringend aufs Klo muß.« Radl blinzelte, denn er fühlte sich stets ausgesprochen unbehaglich, wenn der Admiral so von diesen mächtigen Persönlichkeiten sprach. Obwohl die Büros täglich nach Mikrophonen abgesucht wurden, konnte man nie wirklich sicher sein.
    Canaris fuhr fort: »Himmler so herzerfrischend leichenhaft wie eh und je, und der Führer...«
    Radl unterbrach hastig: »Noch eine Tasse Kaffee, Herr Admiral?« Canaris setzte sich wieder. »Redete von nichts anderem als vom Gran Sasso. Was das Ganze für ein verdammtes Wunder sei und warum die Abwehr nicht etwas ähnlich Spektakuläres fertigbringe.« Er sprang auf, trat ans Fenster und lugte durch die Vorhänge in den grauen Morgen hinaus. »Wissen Sie, was er uns vorschlägt, Radl? Wir sollen ihm Churchill holen.«
    Radl fuhr jäh auf. »Du lieber Gott, das kann er

Weitere Kostenlose Bücher