Der Adler ist gelandet
»Und Sie, Reichsführer, was meinen Sie?«
»Ich teile Ihre Auffassung vollständig, mein Führer«, erwiderte Himmler. »Vollständig! Allerdings bin ich ein wenig voreingenommen. Skorzeny ist schließlich SS-Offizier. Andererseits hätte ich das Gran-Sasso-Unternehmen für eine Sache gehalten, die den Brandenburgern auf den Leib geschrieben ist.«
Er bezog sich auf die »Division Brandenburg«, eine Eliteeinheit, die bald nach Kriegsbeginn zur Übernahme von Sonderaufträgen aufgestellt worden war.
(Viele der Freiwilligen, die aus Abenteuerlust bei den Brandenburgern dienten, waren gebildete Leute und beherrschten mehrere Sprachen.) Befehligt wurden die Männer angeblich von der Abteilung II der Abwehr, die auf Sabotageaufgaben spezialisiert war. Trotz Canaris' Bemühungen war diese Elitetruppe größtenteils hinter den russischen Linien in Blitzeinsätzen, die wenig einbrachten, aufgerieben worden. »Genau«, sagte Hitler. »Was haben Ihre kostbaren Brandenburger geleistet? Nichts, was der Rede wert wäre. Nachdem britische Fallschirmspringer im Februar 1942 die Radarstation in Bruneval erfolgreich überfallen und geheimes Gerät mitnehmen konnten, versprachen Sie mir, unsere Fallschirmjäger würden als Vergeltungsmaßnahme einen Überfall auf die Fernmelde-Forschungsanstalt in Swanage durchführen, und was passiert? Nichts!«
»Aber, mein Führer«, sagte Canaris. »Die Briten erwarteten einen solchen Überfall. Daher verlegten sie das Forschungszentrum mit Sack und Pack nach Malvern weit im Landesinneren. Dort wäre ein Überfall unmöglich gewesen.«
»Ausreden«, sagte der Führer. »Das ist alles, was Sie können.« Er steigerte sich jetzt wieder in Zorn, und wie immer bei solchen Gelegenheiten schien er fähig, erstaunliche Fakten aus seinem fabelhaften Gedächtnis zu holen.
»Als diese Division Brandenburg aufgestellt wurde, nannte man sie Einsatzgruppe für militärische Sonderaufträge, und ich erinnere mich, gehört zu haben, daß ihr erster Kommandant, von Hippel, Ihnen sagte, wenn er mit den Jungens fertig sei, würden sie imstande sein, den Teufel aus der Hölle zu holen. Ein Witz, Herr Admiral! Denn, soweit ich mich entsinne, haben sie mir nicht einmal den Duce geholt. Dafür mußte ich selber sorgen.«
Seine Stimme war zum Crescendo angeschwollen, die Augen sprühten Feuer. »Nichts!« schrie er. »Nichts haben Sie mir geholt, und mit solchen Männern und solchen wunderbaren Hilfsmitteln hätten Sie imstande sein müssen, mir Churchill aus England zu holen, wenn ich es verlangt hätte.«
Es herrschte völliges Schweigen, während Hitler von einem Gesicht zum anderen blickte. »Etwa nicht?«
Mussolini sah gehetzt aus, Goebbels nickte eifrig. Aber Himmler goß Öl ins Feuer, indem er ruhig sagte: »Warum nicht, mein Führer? Möglich ist schließlich alles, auch ein Wunder, wie Sie bewiesen haben, indem Sie den Duce vom Gran Sasso herunterholten.«
»Ganz recht.« Hitler war jetzt wieder ruhig. »Eine wunderbare Gelegenheit, uns zu zeigen, was die Abwehr kann, Herr Admiral.« Canaris war völlig perplex. »Mein Führer, verstehe ich recht, Sie meinen...?«
»Schließlich hat eine englische Kommandoeinheit Rommels Hauptquartier in Afrika angegriffen«, sagte Hitler, »und ähnliche Gruppen überfielen mehrmals die französische Küste. Soll ich glauben, daß die deutschen Jungens weniger fähig sind?« Er klopfte Canaris auf die Schulter und sagte aufmunternd: »Halten Sie sich dran, Herr Admiral. Bringen Sie den Laden in Schwung. Ich bin absolut überzeugt, daß Ihnen etwas einfallen wird.« Wieder wandte er sich an Himmler: »Meinen Sie nicht auch, Reichsführer?«
»Gewiß«, erwiderte Himmler ohne Zögern. »Zuallermindest eine Durchführbarkeits-Analyse kann die Abwehr sicherlich erstellen.« Er lächelte leicht zu Canaris hinüber, der wie vom Donner gerührt dastand. Er befeuchtete sich die Lippen und sagte heiser: »Zu Befehl, mein Führer.«
Hitler legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Gut. Ich wußte, daß ich mich auf Sie verlassen kann, wie immer.« Dann winkte er die Umstehenden mit einer ausholenden Bewegung heran und beugte sich über die Landkarte. »Und jetzt, meine Herren, die Lage in Italien.«
Canaris und Himmler kehrten noch in dieser Nacht mit einer Dornier nach Berlin zurück. Sie verließen Rastenburg zur gleichen Zeit, fuhren aber in zwei Wagen die vierzehn Kilometer bis zum Flugplatz. Canaris kam eine Viertelstunde zu spät, und als er schließlich die
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