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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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den Gang mit blakenden Schatten. Sie hielt sich im Düstern, suchte Deckung in Mauernischen, hinter halb geöffneten Türen. Zwanzig, fünfundzwanzig Gestalten zählte sie, mehlfarbene Perücken, bunte, glänzende Gewänder ein Dutzend Schritte voraus. Inmitten der vorandrängenden Menge auf einmal das Funkeln goldener Locken, wie ein Sonnenfleck im Nebel, und ihr Herz machte einen Satz – vor Sorge, vor Glück, ihn wiederzusehen.
    Solange ich hier bin, soll dir nichts Arges geschehen, kleiner Flor.
    Der Gang endete vor einer breiten Tür. Ein Schlüsselbund klirrte, schon flog die Tür auf, und die Menge schob sich hindurch. Markéta huschte hinterdrein, just ehe die Flügel sich wieder schlossen.
     
    Drinnen strahlten kristallene Lampen von Decke und Wänden, so gleißend, dass ihre Lider sich senkten. Als sie die Augen wieder öffnete, hatte sich die bunte Menge bis zum Ende des Saals vorangeschoben. Dort stand der Käfig, klobige Eisenstangen, selbst aus dieser Entfernung vor Rost und Scharten strotzend. Und dahinter die goldenen Locken Flors.
    Erneut setzte sie sich in Bewegung, ihre Füße tappend auf kunstvoll komponierten Mosaiken, deren Kälte ihr in die Beine kroch.
    Vor dem Käfig eine schmale Gestalt mit wirren schwarzen Haaren, den Rücken ihr zugekehrt, in schwarzem Lumpenmantel – Hezilow?
    Erst in diesem Moment bemerkte sie Giacomo da Biondo. Der ältliche Maler hatte seine Staffelei linkerhand neben dem Käfig aufgebaut. Will er den armen Flor etwa malen, dachte Markéta, aber warum nur?
    Ohne es recht zu bemerken, ließ sie die Chopinen fallen und schob sich durch die Menge auf den Käfig zu, ihre Blicke auf den Häftling gerichtet, der im Stroh hockte, halb abgewandt und den Kopf auf die Brust gesenkt.
    »Werter Herr Puppenmacher, würdet Ihr uns nun gütigst demonstrieren, wie Ihr die güldne Kreatura erschuft?«
    Auf diese Frage, hervorgenäselt von einem dürren Burschen mit Schellenkappe und tomatenroten Seidenhosen, folgte vielstimmiges Gelächter, dröhnend und wiehernd. Mehr verblüfft als wütend sah Markéta um sich, in junge, glatte, und ältliche, grell geschminkte Gesichter, Männer und Frauen, alle so papageienbunt und seidenglänzend wie die Feuerschlucker und Balljongleure auf dem Jahrmarkt zu Krumau.
    Wie durch einen Zauber hielten viele von ihnen plötzlich Zeichenbretter in den Händen, Kohlestifte, riesige Adlerfedern, wenn sie nicht gleich Leinwand, Pinsel und Farben mit sich führten wie da Biondo und drei, vier andere Maler, die ihre Staffeleien im Halbkreis um den Käfig aufgestellt hatten.
    »Deinem Wunsch soll entsprochen werden, Narr«, rief der Schwarzgewandete, aber in unerwartet samtenem Ton. Die Gestalt wandte sich langsam um zur Menge, die erwartungsvoll aufstöhnte, und tatsächlich war es nicht der Puppenmacher, sondern jener syrakusische Zwillingsbursche, Fabrio oder wie Don Julius ihn genannt hatte: den schwarzen Lumpenumhang nachlässig übergeworfen, das schamlos hübsche Gesicht maskiert mit schwarzen Fäden oder Federn in Hezilows struppigem Stil.
    Die Künstler beugten sich über ihre Zeichenblätter, während der Schellennarr auf ein Fensterbrett sprang und törichte Verse zum Besten gab.
    »Ich erschuf die Kreatura«, rief Pseudo-Hezilow, »einfach genug – mit meinem Zauberstab!« Und er hob seine Arme zu einer priesterlichen Gebärde, sodass der angekündigte Stab unter dem aufgleitenden Umhang hervorsprang.
    Neuerliches Gelächter belohnte die dreiste Schaustellung, einige klatschten in die Hände oder stampften mit den Füßen auf. Markéta aber, kaum zwei Schritte mehr vor dem Käfig, fühlte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Sie machte einen Satz, bekam den Syrakuser beim Ohr zu packen und zerrte ihn vom Käfig fort wie einen rotznasigen Gassenbuben oder wie einen der Streithähne, die in der elterlichen Badestube zuweilen handgemein wurden. Mit hellem Schrei, mehr Wut als Schmerz, taumelte Fabrio zur Seite, ein Büschel syrakusischer Haare blieb in Markétas Hand zurück. Sie ließ es achtlos zu Boden rieseln, ihre Aufmerksamkeit galt längst wieder dem Knaben mit dem goldenen Haarschopf, der sich der Menge vor seinem Käfig zugewandt hatte, im Stroh hinter den Gitterstäben kniend.
    Seine Augen, die Markéta aufmerksam ansahen, waren nicht zwiefarben, sondern gleichförmig braun, seine Gesichtszüge plump, wie gedunsen, von elfischer Zartheit unendlich weit entfernt. Vom Gürtel aufwärts war er nackt wie Flor, seit dessen Hemd im Thronsaal

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