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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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alarmiert um sich.
    »Dir mag er befehlen, mir nicht, Franz«, sagte Markéta und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie wenig sie an ihre eigenen Worte glaubte. »Jedenfalls kann er mir nicht vorschrei-ben, wohin ich meine Schritte setzen darf«, fuhr sie fort. »Ich bin meine eigne Herrin – und deine ja auch«, fiel ihr ein, »das hat der Graf doch vorhin selbst zu euch gesagt: ›Eure Herrin‹. Also bring mich zu ihm – oder lass mich alleine gehen, ich befehl’s«, fügte sie hinzu, hob den Kopf und sah dem Wirtssohn vom »Goldenen Fass« in die wasserblauen Augen. »Weißt du noch, Franz – wie wir zusammen an der Moldau im Ufergras lagen, nur du und ich? Damals hast du gehorcht, ohne zu zögern. Und wirst dich auch diesmal nicht verweigern, ich weiß es.«
    Ohne den Blick von ihm zu wenden, allerdings auch ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie seitwärts, mit schwankenden Schritten auf türkisfarbenen Stelzschuhen davon. Aus den Augenwinkeln sah sie die beiden Zofen, die sich aus dem Türrahmen beugten und hinter ihr herschauten, mit so starren Gesichtern wie Franz Brodner, der den Kopf nur ein wenig zur Seite gewendet hatte und, die Augäpfel stark verdreht, hinter ihr herschielte.

  22
     
     
    Schon vom Fuß der Turmtreppe her hörte er Julius’ Stimme, dunkel und ein wenig heiser wie immer, wenn jene unheilvolle Glut die Seele des Kaiserbastards entflammte. »In der Tat wundert’s mich überhaupt nicht, werter Magister, Euch mitsamt Eurer Kreatur hier in Krumau vorzufinden: Ein vortrefflicher Astrolog hat’s mir just so aus dem Himmel gelesen.«
    D’Alembert klemmte das Stöckchen fester unter seinen Arm und eilte die speckigen Stufen hinauf. Daher also Julius’ unerwarteter Sinneswandel?, dachte er. Träumte sein Schützling wieder einmal seinen törichten Traum: die väterliche Majestät im alchimistischen Wettstreit zu besiegen und auf diesem Weg die böhmische Königswürde an sich zu reißen, wenn nicht gleich das ganze Kaiserreich? Nun gut, sagte sich Charles, unter den herrschenden Umständen würde er notfalls auch einen Alchimisten in den Burgmauern dulden, solange der magische Scharlatan ihm nur half, den Grafen in Krumau und bei linder Laune zu halten.
    »Kre-reatur«, hörte er den Nabellosen klagen, »aus dem Hi-himmel!«
    D’Alembert erreichte die Plattform und trat in den Flur zum Kerker Flors. Vor den klobigen Gitterstäben hoben sich zwei Gestalten ab, wie sie unähnlicher kaum aussehen konnten. Von Wandfackeln angeleuchtet, ähnelten sie lebensgroßen Schattenrissen, die Umrisse wie aus der Finsternis geritzt. Neben dem schlanken Hünen Julius, der mit einer Schulter am Käfig lehnte, stand ein mageres Männlein, ein Zwerg fast, wie d’Alembert sich sagte, in seltsam verdrehter Haltung, halb dem Gefangenen, halb Julius zugewandt. An seiner linken Seite trug der Fremde ein gewaltiges Schwert, dessen Spitze fast den Boden touchierte. Als er sich ein wenig mehr zur Seite drehte, erkannte Charles, dass der kleine Mann überdies verwachsen war.
    Augenblicklich empfand d’Alembert heftige Abneigung, wie stets, wenn er auf krasse Hässlichkeit stieß. Der Höcker buckelt sich zwischen den Schultern hervor, dachte er, wie ein zweites, unförmiges Kinn. Mit einem Lächeln trat er näher und sagte:
    »Hat der Sterngucker nicht auch vorausgesehen, Excellence, dass sich der vermeintliche Magister als nichtswürdiger Betrüger erweisen werde?«
    »Bedaure sehr, cher maître, aber diesmal hattet Ihr wohl keine Gelegenheit, das Horoskop mit derlei Gezeter aufzubessern.«
    Der Maître hatte die Antwort schon auf der Zunge, die seinen Schützling in die Schranken weisen würde. Da aber wandte sich der Fremde vollends um zu ihm, und d’Alembert sackte das Blut aus den Wangen. Seine Abneigung schlug in Unbehagen, ja in Grauen um, wie er es allenfalls aus schweren Träumen kannte, Nächten zumal, in denen Fabrio vor ihm floh.
    »Maître d’Alembert, wenn ich nicht irre?« Die pfeifende Stimme bohrte sich in seine Schläfen. »Bin ich Jurij Hezilow – kajserlicher Puppenmacher, aus Moskau gebirtig, bekannt von St. Petersburg bis Basel, geachtet von Britannien bis Prag.« Der Russe deutete einen Kratzfuß an. »Untertän’chster Diener.«
    Unwillkürlich erwiderte d’Alembert die Verbeugung. Erst in diesem Moment, da ihre Köpfe sich einander entgegenneigten, wurde ihm bewusst, dass der abscheuliche »Puppenmacher« allenfalls eine Handbreit kleiner gewachsen war als er selbst. Ja,

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