Der Alchimist von Krumau
seine Schritte, den Puppenmacher mit sich ziehend.
Charles d’Alembert, der dem Humpelnden mit tänzerischer Eleganz folgte, sah spöttisch auf Hezilows Schwertscheide, die Funken sprühend über den Steinboden schleifte. Niemals, dachte an seiner Seite Markéta – nie hatte sie Julius weniger hochfahrend erlebt als gegenüber Hezilow. Wieder fühlte sie, wie dumm und ungehobelt sie selbst war, neben dem Magister wie auch neben dem jungen Grafen, die sicher beide mehr Wissenschaften studiert hatten, als sie auch nur dem Namen nach kannte, die Jurisprudentia, die Theologia und was es sonst noch an Unbegreiflichem geben mochte. Ich dagegen, sagte sie sich, kann nicht mal Pappe von Eisen unterscheiden, Theater von Wirklichkeit.
Nach ihrem überstürzten Rückzug aus dem weißen Saal, wo sich die Künstler unter Weh-und Zornesrufen um den zerknickten Karzer geschart hatten, war sie geraume Zeit durch Gemäuer und Höfe geirrt, ehe sie am unteren Ende des zweiten Burghofs auf Don Julius gestoßen war. An seiner Seite Hezilow, der in endlosem Strom Sentenzen produzierte, dabei sein schwarzes Stöcklein wirbelnd; in ihrem Gefolge Maître d’Alembert und Flor, der fröstelnd die Arme vor der bloßen Brust verschränkt hielt. Für Markéta hatte er kaum einen Blick, dagegen verfolgte Flor jede Bewegung des lumpigen Russen mit einem Ausdruck hündischer Ergebenheit und sprach wieder und wieder die Phrasen seines Meisters mit stockender Zunge nach.
Ohne ein Wort hatte Markéta sich ihnen angeschlossen, mit einem beiläufigen Kopfnicken von Don Julius willkommen geheißen und mit einer knappen Verbeugung von d’Alembert. Selbst Hezilow hatte nur einen Blick unter verstrüppten Augenbrauen auf sie abgeschossen und war gleich wieder zu seinen hermetischen Prinzipien zurückgekehrt.
»Alles fließt aus und ein, alles hat seine Gezäjten, Euer Liebden. Alle Dinge stäjgen und fallen, das Schwingen des Pendels zäjgt sich in allem – so lautet sich finftes Prinzip der Alchemie.«
»Pe-pendel in allem!«
Fast wäre es ihr lieber, dachte Markéta nun, wenn Julius oder der Maître versuchten, sich ihrer Begleitung zu entledigen, dann könnte sie sich zumindest wieder als Flors Beschützerin fühlen statt als nichts begreifende Gans. Aber niemand hinderte sie, den drei Männern und Flor zu folgen, die mit raschen Schritten den dritten Burghof durchmaßen und rechterhand vor einem riesigen Gewölbetor hielten. Also lief sie weiter auf nackten Füßen hinter ihnen her und blieb dann neben Flor stehen, dessen blasse Haut im Fackellicht fast durchsichtig schien.
Charles d’Alembert nestelte einen gewaltigen Schlüssel aus seinem Wams hervor und schob ihn mit sichtlichem Widerstreben ins Schloss. Unter lautem Knarren und Stöhnen schwang der rechte Flügel des Gewölbetors auf. Der Maître zog eine Fackel aus ihrem Wandhalter und leuchtete in die laboratorische Finsternis hinein, machte aber keine Anstalten, als Erster das Gewölbe zu betreten. Da nahm Hezilow ihm die Fackel aus der Hand und trat über die Schwelle. Im selben Augenblick sprangen aus einer Tür vis-à-vis die syrakusischen Zwillinge, nun gemeinsam in den schwarzen Lumpenmantel gewickelt, der Fabrio vorhin zur dreisten Scharade gedient hatte.
»Geschlecht ist in allem, alles hat sich männliche und wäjbliche Prinzipien; offenbart Geschlecht sich auf allen Ebenen«, hörte Markéta den Puppenmacher deklamieren, und für einen Moment der Verwirrung schien es ihr, als ob sich diese Phrase in geheimnisvoller Weise auf die Zwillinge bezog. »So lautet sich siebentes Gesetz der Alchemie.«
Gleichwohl warf sie dem syrakusischen Duo einen, wie sie hoffte, warnenden Blick zu, dann sputete sie sich, hinter Hezilow und Don Julius, Flor und d’Alembert in die grabesfinstere Unterwelt hinabzusteigen.
25
Geschäftig lief der Puppenmacher von einer Wandnische zur nächsten und entzündete mit seiner Leuchte armdicke Kerzen. Seine Schritte hallten von den Wänden wider, und mit jedem Licht, das er entflammte, schälte sich ein wenig mehr von dem gewaltigen Gewölbe aus der Dunkelheit. »Spiritus alme«, rief er dabei mit pfeifender Stimme, »Illustrator hominum – Horridas nostrae mentis purga tenebras!«
»Erhabener Geist – Erleuchter der Menschen.« Don Julius, der auf einmal neben Markéta stand, übersetzte die Formel, seine Stimme schien vor innerer Bewegung zu vibrieren. »Reinige die schaurigen Finsternisse unsres Geistes!«
Während er sprach, drehte
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