Der Alchimist von Krumau
zur kreischenden Erheiterung des Publikums vor dem Herrscher am Boden wälzte.
»Mit diesem kunstgeneigten Stabe«, sprach der weiße Elegant mit unsäglich trauriger Miene, »dressierte ich die liebliche Kreatur – für Euch, Exzellenz, mein allerherrlichster Herr!« Und dazu wirbelte er das weiße Stöcklein in der Luft und zerrte zugleich rhythmisch an der Schlinge, und im gleichen Takt spreizte die Maid, rücklings vor dem Thron liegend, Arme und Beine, ruckhaft wie ein Jahrmarktsapparat.
Unterdessen hatte der Nabellose sich weiter und weiter zum trübseligen Flötenklang im Kreis gedreht. Nun setzte eine zweite Melodie ein, beherrscht von harten, gläsernen Klavichordtönen, zu denen die Maid am Boden zuckte, sich wie beim Veitstanz wälzte und die Glieder spreizte.
Markéta wäre am liebsten im Boden versunken, nie zuvor hatte sie sich so gedemütigt gefühlt. Die Höflinge verspotteten sie als Hure, die sich vor dem Grafen auf den Boden warf und lockend die Schenkel öffnete! Fast ebenso sehr schämte sie sich für den armen Flor, dessen Doppelgänger nackt auf der Bühne umhertaumeln musste, die Schlinge um den Hals wie ein gefangenes Kalb. Aufhören!, schrie es in ihr, aber sie brachte nicht die Kraft auf, auch nur eine Hand zu heben. Was vermochte sie auch auszurichten gegen die hoffärtige Schar?
Und könnte das dreiste Bühnenstück denn ohne Julius’ Billigung überhaupt aufgeführt werden?
Dieser Gedanke, dass auch er in ihr nur eine tumbe Badershur erblickte, lähmte Markéta noch mehr. Wie versteinert saß sie in ihrer Loge neben Flor, der ebenso starr zur Bühne hinuntersah wie sie, und drückte seine kalte Hand.
Unter johlendem Zuspruch des Publikums war die Pantomime weitergeschritten: Die Maid am Strick des Tänzers hatte sich aufgerappelt, und sie und der Nabellose taumelten und tanzten nach zweierlei Klängen um den Thron herum. Die Flöten weinten, wie gemeißelt klangen die Töne des Klavichords. Währenddessen versuchten die beiden Gefangenen voller Verzweiflung, einander die Hände zu reichen, doch immer wenn sie nahe genug beisammen schienen, rissen ihre Herren sie wieder auseinander.
Dann plötzlich hob der Herrscher seine Schultern zu einer ratlosen Gebärde. Im gleichen Moment verstummten die Instrumente, und die Gestalten in den Schlingen blieben wie versteinert zu beiden Seiten des Thrones stehen. Der schwarze Magier und der weiße Tänzer aber wandten sich jeder zu seiner Seite und begannen, ihre Stäbe mit magischen Bewegungen durch die Luft zu schwingen.
Der Schwarzbart murmelte eine Formel. Da ergoss sich von seiner Seite her eine wahre Flut an papiernen Goldmünzen und gipsernen Gliedmaßen in den Thronsaal, vom schrillen Pfeifen der Flöten untermalt. Der Herrscher rückte seine Krone zurecht und neigte das Haupt zum Zeichen, wie sehr ihm diese Zaubertat behagte, dann jedoch wandte er sich mit fragender Miene dem weißen Tänzer zu. Dieser öffnete den Mund, sang eine betörende Tonfolge und schwang dazu das weiße Stöckchen wie einen Dirigentenstab. In seinen Gesang stimmte abermals das Klavichord ein, zuerst leise und langsam, dann mehr und mehr anschwellend zum Stakkato. Und unter diesen dramatischen Klängen rollte von rechts her eine Staffelei auf die Bühne, mit einem Gemälde darauf, das unter weißem Tuch verborgen war.
»Was ist das für ein Bild?«, rief der Herrscher, und alle Figuren auf der Bühne fuhren zusammen. Denn es war die Stimme ihres wirklichen Herrn, der sich in seiner Loge vorbeugte und hinzusetzte:
»Enthüllt es auf der Stelle – ich befehl’s!«
Augenblicklich wurde das Tuch entfernt, von so vielen Händen, dass nachher niemand hätte angeben können, wer die Dame als Erster entblößt hatte. Zum Vorschein kam ein Gemälde von bescheidenen Ausmaßen und noch mäßigerer Qualität, dessen Inhalt und Bedeutung sich in diesem Moment wohl kaum einem der Anwesenden offenbarte.
»Was stellt das Bild dar?«, fragte auch der wirkliche Don Julius, und während sein Doppelgänger auf der Bühne ratlose Blicke mit den Dubletten von d’Alembert und Hezilow, Flor und Markéta wechselte, gab ihm der tatsächliche Maître – so als ob nun die Loge zur Bühne geworden wäre – mit lauter Stimme Antwort: »Das Bild stammt aus dem Jahr 1587, Euer Liebden, und es zeigt Bianca von Ludanice, eine entfernte Verwandte Wilhelms von Rosenberg. Wie Ihr bei näherer Betrachtung unfehlbar feststellen werdet, sieht Madame Markéta der Dame so ähnlich, wie eine
Weitere Kostenlose Bücher