Der Alchimist von Krumau
Mordintrige verwickelt hatten, und dann würden sie Seite an Seite vor dem Kaiser niederknien und seinen väterlichen Segen erbitten. Vorerst allerdings galt es, eine Jagdpartie zu überstehen. Ihr graute vor dem Pulverdampf und dem heiseren Hecheln der Jagdhunde, vor dem Blutgeruch und den aufgehäuften Kadavern, mit denen die Hatz unweigerlich enden würde.
Vor drei Tagen hatte Julius befohlen, eine große Jagd zu organisieren: »Ich liebe die Hatz, und auch Ihr, Madame, werdet diese hohe Kunst zu schätzen lernen.« Noch immer wunderte es Markéta, wie leichthin er sich auf einmal von Hezilow loszureißen schien, nachdem er zwei Wochen lang bald jeden Tag und nicht selten die halbe Nacht im Keller des Alchimisten verbracht hatte. Aber offenbar ging es dort unten mit den geheimen Experimenten nicht ganz so glatt voran, wie Hezilow vorausgesagt hatte. Jedenfalls war Julius immer düsterer geworden, und an manchen Tagen hatte seine Unterlippe schon am Morgen schmerzlich gezuckt. Doch seit er die große Hatz befohlen hatte, war seine heitere Laune zurückgekehrt.
Maître d’Alembert hatte alles Erforderliche bewerkstelligt, ohne sonderliche Begeisterung, doch mit der ihm eigenen Eleganz und Effizienz. Die alte Burg Rosenberg war über Nacht notdürftig hergerichtet worden, eine trutzige Feste zwanzig Meilen stromabwärts, umgeben von unwegsamen Wäldern, in denen es von Hirschen und Wildsauen wimmelte. »Das Kastell der Rosenberger steht seit vielen Jahren leer«, hatte der Maître zu bedenken gegeben, »als Jagdschloss für eine anspruchsvolle Herrschaft ist das Gemäuer kaum mehr zu gebrauchen, Exzellenz, auch wenn fünf Dutzend Diener seit vorgestern gefeudelt und gelüftet, Spinnennetze entfernt und fuderweise Ratten erschlagen haben …«
Aber Julius hatte alle Einwände vom Tisch gewischt. »Morgen früh brechen wir auf, ich befehl’s.«
Auf der anderen Stromseite war bereits die Silhouette der alten Feste zu erkennen, eine halbe Meile voraus. Hoch über dem Moldaubogen hockte die Burg auf einem gewaltigen Felsblock, mit geschwärztem Wehrturm und dem lang gestreckten Haupthaus, dessen Dachstuhl so schadhaft schien wie die hohläugig glotzenden Fensterhöhlen. Eher eine Ruine als ein Palast, dachte Markéta, doch selbst dieser Anblick vermochte ihre Stimmung nicht einzutrüben.
Hinter der Kutsche des Herolds, der wieder die Fanfare erschallen ließ, rollten sie über die Steinbrücke in den Flecken Rosenberg hinüber, wo die Hühner gackernd das Weite suchten, während Bauern und Knechte herbeigestürzt kamen, die Mützen noch im Rennen von ihren Köpfen reißend. Mit Getöse fuhr der Tross die Burgstraße hinauf, die sich in löchrigen Serpentinen zur Trutze hinaufdrehte.
Die Stammburg der Rosenberger, dachte Markéta, und ein Schauer überlief sie: Durch Mutter Bianca waren es ein wenig auch ihre, Markétas Stammväter geworden, die von dieser Burg ausgezogen waren, um bis in die glanzvollsten Höhen Böhmens emporzusteigen. Nun ja, so ganz stimmte das möglicherweise nicht, doch nach d’Alemberts Dokumenten war Mutter Bianca zumindest eine entfernte Nichte der Katharina von Ludanice gewesen, der letzten Gemahlin des letzten Nachkommens der Rosenberger, Peter Vok, der im vergangenen Winter auf seinem mährischen Landschloss verschieden war.
Letzten Endes, dachte Markéta, konnte sie sich durchaus als Nachfahrin des alten Grafengeschlechts ansehen, so wie Don Julius die neue Herrschaft von Krumau verkörperte. Der Gedanke berauschte sie, wieder sah sie sich am Arm des jungen Grafen durch eine Gasse prachtvoll gekleideter Personen schreiten, dieses Mal zum Traualtar der St.-Veit-Kirche auf Burg Krumau, während die Glocken droben im Hungerturm ohrenbetäubend läuteten.
Durch ein solches Spalier war sie vor vierzehn Tagen wahrhaftig geschritten – oder eher gewankt, an Julius’ Arm, während seine Burgobern, Künstler und Schranzen links und rechts die Köpfe neigten. Sie hatte den Theatersaal als Baderstochter betreten und war auf der Bühne als Hurenpuppe verspottet worden – doch wer den Saal an jenem Abend verließ, hoch erhobenen Hauptes, wenn auch mit weichen Knien, war die adlige Geliebte des Kaisersohns, Markéta da Ludanice. Noch auf der Treppe, unter einem halben Hundert Augenpaaren, hatte Julius sich seitlich zu ihr gebeugt und ihr ins Ohr gewispert:
»Euch hat mir das Schicksal geschickt, Madame – habt Ihr eine Ahnung, wie es ist, immer allein zu stehen gegen eine ganze hinterfotzige
Weitere Kostenlose Bücher