Der Alchimist von Krumau
über Euch, holde Maid!«
Während er behutsam weiter aufs Bett zutappte, erklang von dort leises Lachen, gefolgt von emsigem Rascheln, dann flammte endlich ein Lichtlein auf.
»Mir ist kalt, so elend kalt, edle Frau«, sagte er, »wenn Ihr die Gnade hättet, mich ein wenig aufzuwärmen?« Doch da war er bereits bei ihrem Bett, und ehe Markéta irgendetwas erwidern konnte, hatte er ihre Decke gelupft und war neben sie geglitten, dicht an ihren warmen Leib, der allerdings gleich zur Wand hin zurückwich. »Ich hoffte so sehr, dass Ihr Euch meiner erbarmen würdet.« Er drehte sich zu ihr, sodass nun wahrhaftig nur das gräfliche Zepter noch zwischen ihnen stand.
Im dünnen Schein des Kerzleins waren ihre Augen wie zwei dunkle Höhlen, eingebettet in die mondbleichen Hügel ihres Pfuhls. »Und ich, mein Herr …« Sie richtete sich auf und beugte sich über ihn, nach wilden Rosen duftend. »Ich hoff ebenso sehr, dass Ihr sie nicht nach Krumau kommen lasst!«
»Nach Krumau – na, wen denn?«, fragte er überrumpelt, dabei schwante ihm im selben Moment, von wem sie sprach.
»Johanna! Überall in der Burg wird ja gemunkelt, dass sie aus Prag herbeieilen will, um Euch wieder an sich zu ketten.«
»Keine Bange, sie hat Prag noch nie verlassen – was sag ich: den Hradschin!« Julius lachte leise und spürte im gleichen Moment, wie seine Stimmung sich trübte. »Kein Wort mehr von ihr, ich befehl’s.«
Er legte einen Arm um ihren Leib und versuchte, sie näher zu sich heranzuziehen, doch Markéta sträubte sich, und ihr Körper wurde unter seiner Berührung starr.
»Eure väterliche Majestät hält’s ja genauso«, flüsterte sie, und ihre Haare kitzelten ihn am Ohr. »Isabella ist am spanischen Hof, und Eure Mutter lebt bei ihm in Prag.«
Und wenn’s nach Euch geht, sollen wir es künftig auch so treiben, dachte er: Johanna nach Prag verbannt, während ich mit Euch hier in Krumau hause? Nichts lieber als das, Madame. Wenn Ihr wüsstest, wie oft ich’s mir selbst schon ausgemalt habe: Markéta da Ludanice, gräfliche Mätresse, die liebste, hübscheste, listigste Weibsperson, die mir je begegnet ist! Aber offenbar ahnte sie nicht im Entferntesten, wie heikel diese Fragen waren, wie viele Aspekte es zu erwägen galt, welche Fallstricke drohten.
»Nun sagt schon, Julius, warum nicht auch wir – getreulich nach dem Bild Eurer Eltern?«
»Da ist … vieles zu bedenken«, presste er hervor und versuchte abermals, sie zu sich heranzuziehen, aber sie stemmte ihm eine Hand gegen die Brust.
Ah, zum Satan, warum musste sie ausgerechnet jetzt drauf beharren, gerade jetzt, da er ihr fast alles verspräche, wenn sie sich nur nicht länger wie ein totes Stück Holz betrug!
»Meine Mutter stammt immerhin aus einem angesehenen Adelsgeschlecht, während Ihr, Markéta …«
Er unterbrach sich, erschrocken, da sie mit einem Mal ganz schlaff geworden war, so als ob alles Leben aus ihr gewichen wäre. Im Halbdunkel sah er, wie sie die Augen aufriss, zwei riesige schwarze Seen.
»Aber das Bildnis«, stammelte sie. »Und das Dokument, das d’Alembert aufgetrieben hat – es beweist doch, dass meine Mutter aus dem Geschlecht der Ludanices stammt!«
»Markéta.« Er sprach so zärtlich, wie er niemals vorher zu irgendwem geredet hatte. »Maître d’Alembert ist ein Fuchs«, fuhr er fort und versuchte abermals, sie an sich zu ziehen, doch da hatte sie sich schon wieder steif gemacht und lag wie eine Eissäule in seinen Armen. »Und wie es aussieht, verstand sich auch Eure Frau Mutter darauf, mit lebenden Figuren Schach zu spielen. Aber bisher beweisen das Bild aus der Rosenberger Galerie und d’Alemberts Dokumente nur eines.«
Wieder unterbrach er sich, er wollte ihr ja nicht wehtun, im Gegenteil. Doch noch sehr viel weniger wollte er durch einen falschen Schachzug seine Hoffnungen auf die väterliche Thronfolge untergraben, gerade jetzt nicht, da er dank Hezilows magischen Künsten seinem Ziel so nahe war wie nie.
»Was spannt Ihr mich auf die Folter, Julius!« Ihre Stimme klang gequält, in ihren Augen glitzerten Tränen. »Was beweist es denn – so redet doch weiter!«
»Schscht«, machte Julius, »ruhig, ma chère. Niemand hofft ja inständiger als ich, dass alles sich so verhält, wie der Maître es darstellt.
Aber deine Mutter scheint damals, vor zwanzig Jahren, ziemlich überraschend bei den Rosenbergern aufgetaucht zu sein. Und falls sich herausstellen sollte, dass sie sich zu Unrecht als angeheiratete Verwandte
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