Der Alchimist von Krumau
spendeten und die Fenster zur Stromseite hin teils mit Brettern verrammelt, teils mit rissigem Ölpapier verschlossen waren. An der langen Wand gegenüber standen Ritterrüstungen in gedrängter Reihe, starr glotzten die eisernen Heroen über die Schultern der Sitzenden hinweg, als ob sie denen das karge Mahl neideten.
Charles beugte sich ein wenig vor und spähte an Don Julius vorbei, um sich zu vergewissern, dass auch Markéta in den Speisesaal gefunden hatte; Markéta von Ludanice, dachte der Maître, Edelfrau von meinen Gnaden. Mit strahlender Miene saß sie zur Rechten des Grafen, in ein türkisfarbenes Kleid von erstaunlicher Eleganz gewandet, und als sie seinen Blick bemerkte, nickte sie ihm lächelnd zu. Nun, zumindest die Mätresse des Herrn Grafen schien entschlossen, sich die Laune nicht trüben zu lassen, wie übrigens auch Don Julius selbst, den Charles kaum jemals so heiter erlebt hatte wie in den drei Wochen, seit sie nach Krumau umgesiedelt waren.
Nur hübsch die Ruhe bewahren, mahnte sich der Maître, während von Breuner ihm kalten Fasan, Trüffelpastete und weißes Brot vorlegte, wobei er mit geblähten Wangen und zusammengepresstem Kiefer seinen Husten verbiss. Im Grunde war ja alles auf allerbestem Wege, wenn sie nur diese etwas geschmacklose Episode hinter sich brachten, ohne dass ein Mitglied der Jagdgesellschaft versehentlich erschossen oder von herabfallenden Kastelltrümmern erschlagen würde. Und wenn Katharina nur zur gleichen Zeit die Waldstein von ihrem Plan abbrachte, nach Krumau zu reisen und die unwürdige Rivalin aus Julius’ Bett und Herzen zu verjagen – zwei Orte allerdings, die Johanna niemals erobert hatte. Julius verabscheute die frömmlerische Freifrau, mit der er kurz nach seinem achten Geburtstag verlobt worden war.
Alles würde sich schon in die rechten Bahnen lenken lassen, beschloss d’Alembert. Spätestens in drei Tagen würden sie nach Krumau zurückkehren, und mit jedem Tag, jeder Woche, die sie ohne gröbere Zwischenfälle überstünden, würde Rudolfs Groll auf seinen ungestümen Sohn ein wenig mehr schwinden, und damit auch die Gefahr, dass der kaiserliche Zorn sie alle, wie sie hier saßen und schmausten, ins Verderben stürzte.
Charles lehnte sich zurück und begann sich zu entspannen. Der Tokaier mundete vorzüglich, ebenso der kalte Fasan. Noch war die Stimmung der Jagdgesellschaft etwas bedrückt, aber schließlich brauchten die Spaßmacher und die Schamlosen nicht jeden Tag auf den Tischen zu tanzen. Weiter hinten an der Tafel entdeckte er Fabrio, der seiner Schwester soeben einen Happen in den Mund schob.
Sein Blick schweifte weiter, zum goldgelockten Nicodemus, den alle nur den »falschen Homunkel« nannten, und dann erst sah er die drei wirrbärtigen Gesellen, die am hintersten Ende der Tafel hockten und, halb verborgen von einer Säule, Pasteten und Braten mit plumper Gier in ihre Schlünde schoben.
Wer bei allen Göttern hat Hezilows Kerlen erlaubt, mit uns zu fahren?, dachte d’Alembert, ließ sich jedoch nichts anmerken; die Antwort lag ja auf der Hand. Und wenn schon, sagte er sich, vom kühlen Tokaier nippend, schließlich brauchte es mehr, sehr viel mehr als ein paar Lumpenkerle, um Charles d’Alembert ins Verderben zu ziehen.
37
Er zog am Riegel, und die ganze Tür fiel ihm entgegen – na sei’s drum, sagte sich Julius, zwischen ihr und mir soll schließlich gar nichts stehen, außer meinem Zepter. Er lehnte die Türtrümmer an die Wand und trat ohne weiteres in Markétas Gemach.
»Schlaft Ihr schon, Madame?«
Stockfinster war es in ihrer Kammer, das Fensterloch auch hier mit Brettern verrammelt. Buchstäblich im Dunkeln tappte er auf den fahlen Fleck zu, den er für ihr Bett hielt, da stieß er sich die Zehen an einem klobigen Ding, das mitten im Zimmer lag. »Zur Hölle damit! Habt Ihr keine Kerze, Markéta? Nun sagt endlich was. Ich weiß doch, dass Ihr unter der Decke über mich lacht! Aber wartet nur – ojwei!«
Diesmal hatte er sich den rechten Fuß gestoßen, wieder an so einem Klotz mitten im Zimmer – sicher ihre Chopinen, wie ihm nun einfiel, die türkisfarbenen Stelzschuhe, die sie nach anfänglichem Sträuben so bereitwillig wie ihren Adelsrang trug.
Vom Bett her waren nun immerhin ein paar Laute zu vernehmen, ein Schnurren und Gähnen, als ob sie wahrhaftig jetzt erst zu sich käme.
»Ich bin der Geist dieser Burgruine«, sprach Julius, die Silben schaurig dehnend. »Zündet ein Licht an, sonst komm ich
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