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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Lisetta sagen, dass sie von morgens bis abends mit ihren heiligen Weibern in der Damenkapelle hockt – bei Gesang und Gebeten. Aber was schert das Julius und mich? Wir lieben uns, Monsieur, und wenn der Kaiser das erkennt, wird er unsrer Vermählung …«
    Da hob d’Alembert abermals sein Stöckchen empor und schnitt Markéta mit einer sägenden Bewegung das Wort ab.
    »Hört mich an, Madame, und dann entscheidet.« Über die finanziellen Verpflichtungen, die Rudolf II. gegenüber dem Hause von Waldstein eingegangen war, würde er gewiss kein Wort verlieren, beschloss der Maître; schon bei dem bloßen Gedanken an die kaiserlichen Pfandbriefe, die sich angeblich in Baron von Waldsteins mährischem Schloss stapelten, befiel ihn leiser Schwindel. Aber auch abseits dieses heiklen Punktes ließen sich hundert unwiderlegbare Gründe anführen, die gegen einen überstürzten Damentausch in dieser Schachpartie des Herzens sprachen.
    »Ihr haltet den Kaiser für den gewaltigsten Herrn der Welt«, sagte er, »fast jeder macht diesen Fehler, zuweilen sogar ich. In gewisser Weise ist der Kaiser tatsächlich ein mächtiger Mann, zugleich aber von so vielen Kräften abhängig, so vielen Einflüssen unterworfen, dass Ihr weinen würdet vor Mitleid, wenn ich Euch all diese hemmenden Kräfte nennen, ihre kleinlichen, boshaften, eigensüchtigen Beweggründe aufschlüsseln würde. Aber dafür fehlt mir – glücklicherweise – die Zeit.« D’Alembert sprach nun rasch und konzentriert, in seinem Sessel vorgebeugt, an unvorhersehbaren Stellen seiner Rede mit dem Stöckchen auf Markéta deutend. »Also nur so viel, Madame: Wie Ihr vielleicht wisst, vielleicht aber auch nicht
    – erstaunlich viele Persönlichkeiten, auch aus den hohen und höchsten Ständen, haben den Überblick in politischen Dingen längst verloren; jedenfalls und kurz gesagt: Unter den sieben Kurfürsten des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation ist Rudolf als König von Böhmen zwar sicher der enormste Potentat, aber doch auch nur einer dieser sieben hochgemuten Herren. Hält der Kaiser die alleinige Regierungsgewalt in Händen, oder üben die Kurfürsten von Rechts wegen eine Nebenregierung aus? Um diese Frage wird gerungen, nicht erst seit Rudolf die Ottonenkrone auf dem Haupt trägt, sondern schon unter seinem Vater Maximilian und bereits vor dieser Zeit, als der ehrwürdige Kaiser Karl V. auf dem Reichsthron saß. Und dann erst der Reichstag, Madame! Habt Ihr jemals gewagt, dieser buntscheckigen, traditionell zerstrittenen, nach geheimnisvollen Grundsätzen hierarchisch gegliederten Vertretung der sieben Dutzend Stände Eure Aufmerksamkeit zu schenken? Ihr schüttelt den Kopf? Nun, das war klug von Euch, Markéta, denn manch einem hat dieser hochwohllöbliche Reichstag schon den Schlaf geraubt und, mehr noch, den Verstand dazu, und zwar vorzüglich jenen Kurfürsten, die sich die Kaiserkrone aufsetzen ließen.«
    Markéta blickte nun recht betreten drein, doch der Maître war mit seinem Sermon noch lange nicht am Ende. »Aber Ihr wendet ein, dass dem Kaiser mit dem Reichskammergericht und dem Reichshofrat doch mächtige Instrumente zur Verfügung stünden, um seinen Willen durchzusetzen? Nun, Madame, dann könnt Ihr mir vielleicht erklären, nach welchen mysteriösen Grundsätzen und Regeln die Ratsmitglieder des Kammergerichts gewählt werden? Ich jedenfalls vermag diese Regeln nicht zu durchschauen!« Er deutete auf sein Gegenüber. »Die Mitglieder des Hofrats, da gebe ich Euch Recht, kann Seine Kaiserliche Majestät schlichtweg selbst ernennen, was die Dinge allerdings nur dem äußersten Anschein nach vereinfacht. Denn hier wirkt sich wiederum aus, dass Seine allerherrlichste Herrlichkeit eben nicht nur zum Kaiser des Reichs, sondern zugleich zum König des mächtigen Böhmen gekrönt worden ist, zu schweigen übrigens von Ungarn und Kroatien, über die Rudolf gleichfalls herrscht. Wundert es Euch da, wenn die Reichshofräte argwöhnen, dass er zwar stets als Kaiser befiehlt, aber keineswegs immer die Interessen des ganzen Reichs im Auge hat, sondern vor allem die seiner eigenen Königreiche?«
    Wieder deutete er auf sie, und zu seiner Überraschung ergriff Markéta das Wort.
    »Ich weiß zwar nicht recht, cher maître«, sagte sie, »warum Ihr mir diese Lektion in Reichsalchemie erteilt, und wie fast immer, wenn Ihr mit mir redet, hab ich den Eindruck, dass Ihr Euch zumindest ein bisschen über mich lustig macht. Aber das verschlägt wenig, das

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