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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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entgangen sein, Madame, dass der Kaiser nahe daran war, seinen natürlichen Sohn auf einen mährischen Bauernhof zu verbannen, nachdem in Don Julius’ Schlafgemach eine erschlagene Hurenmaid gefunden wurde – und er selbst von Kopf bis Fuß mit ihrem Blut besudelt war? Dass seinem Bastardsohn die ehrenwerte Krumauer Grafschaft zugeschlagen wurde, haben die Edlen Europas und die Bürger Böhmens übel genug vermerkt. Und da meint Ihr, wir sollten gerade jetzt neues Öl in die Wogen gießen – durch Bruch seiner Verlobung mit der hochwohlgeborenen Johanna und Vermählung mit einer jungen Dame von nicht annähernd ebenbürtiger Herkunft?«
    Sie zuckte zusammen und warf ihm einen verworrenen Blick zu, gemischt aus Zweifel und Zorn. »Habt nicht Ihr selbst mir versichert«, fragte sie zurück, »dass meine Abkunft aus dem Haus der Ludanice unzweifelhaft sei? Und war eine da Ludanice nicht edelblütig genug, um dem Bruder des hochwohlgeborenen Wilhelm von Rosenberg vermählt zu werden?«
    D’Alembert begnügte sich damit, seine strichdünnen Augenbrauen zu heben, die er sich an jedem zweiten Samstag im Dampfbad sorgsam beschneiden ließ.
    »Außerdem wisst Ihr so gut wie ich, dass Don Julius dieses Mariandl nicht umgebracht hat – er hat das Herz eines Kindes, Monsieur!«
    Und die Kraft eines Stiers in seinen Armen, dachte d’Alembert, und jenen Dämon in seiner Seele, der in mondhellen Nächten zuweilen wispert: Schlachte sie! Aber von alledem sagte er nichts, sondern betrachtete nur angelegentlich sein Stöckchen, dessen Lacküberzug an einigen Stellen stumpf zu werden begann.
    »Es mag ja sein, Monsieur«, fuhr Markéta fort, »dass Ihr Euch die Baderstochter Markéta Pichlerová zurückwünscht, weil Ihr die leichter dirigieren konntet – wenn auch nicht auf jene Weise, wie Ihr’s Eure Bühnenkünstler damals dreist behaupten ließet. Aber vor Euch steht nun Markéta da Ludanice, und falls Ihr insgeheim hoffen solltet, dass Ihr mich bei Bedarf aus der Burg hinauswerfen könntet, wie es meiner armen Mutter geschehn ist, so lasst Euch versichern: Das wird Euch nicht glücken, Monsieur.«
    D’Alembert strahlte sie an, sein Stöckchen in der Luft wirbelnd.
    »Nichts läge mir ferner, als solches auch nur zu erwägen, Madame. Eure Liebe wirkt auf Julius wie ein Balsam. Euch zu verlieren wäre das Schrecklichste, was ihm widerfahren könnte.«
    Abgesehen von seinen törichten Hoffnungen aufs väterliche Zepter, dachte der Maître und bot der Mätresse des Kaiserbastards lächelnd seinen Arm.

  51
     
     
    Seite an Seite schritten d’Alembert und Markéta den dämmrigen Gang voll Rosenberger Ahnenbilder entlang und die breite Treppe hinab auf den Hof.
    Wahrscheinlich wäret auch Ihr behutsamer, Madame, dachte d’Alembert, wenn Ihr wüsstet, dass Euer Geliebter schon einmal eine ganze Hirschkuh, mitsamt Fell und Eingeweiden, in einem Bottich gekocht hat, weil er nämlich annahm, dass sich so die Haut säuberlich vom Leib lösen ließe. Verrückt, meint Ihr? In der Tat, Madame, ich verehre Euren Scharfsinn, dachte der Maître, während sie über den sonnigen Burghof schritten, wo da Biondo, Gabriele und einige andere Maler wilde Kohlestriche auf ihre Skizzenblätter warfen. Ein halbes Dutzend junger Leute lief auf den Händen im Hof herum, schlug Räder oder Purzelbäume, am ganzen Körper mit gelben und schwarzen Strichen und Tupfern wie Tigerkatzen bemalt.
    Das findet Ihr wohl auch närrisch, Madame? Tollhäuslerisch und verderbt? Der Maître warf Markéta einen raschen Seitenblick zu. Aber bedenkt Ihr bei Eurem Urteil auch, dass diese Künstler den einzigen wirklich verehrungswürdigen Gottheiten dienen: der galanten Schönheit und der geistreichen Illusion? Wenn es schon keinen Himmel gibt, Madame, keine Seligkeit und keinen Gottvater droben im Wolkenschloss, kommt es dann nicht letzten Endes nur darauf noch an: dass wir unseren Stil verfeinern und einander nicht in grobem Ernst, wie die Bestien in den Wäldern, an die Hälse gehen?
    So monologisierte der Maître im Stillen, dabei Arm in Arm mit Markéta durch die Burghöfe wandelnd, bis sie endlich das tintenschwarze Durchhaus hinter sich ließen und ihnen ein bestialischer Gestank entgegenbrach.
    »Der Bär«, sagte d’Alembert und rümpfte die Nase.
    Unwillkürlich verlangsamte er seinen Schritt, aber Markéta zog ihn weiter, den Hof hinab.
    Tatsächlich war das untere Burgtor schon weit geöffnet, eine Menschenmenge hatte sich dort versammelt, und von den

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