Der Algebraist
gefragt«, sagte Hatherence und neigte sich
zu Y’sul, der aus einem qualmenden Stopfrohr violette
Rauchschwaden einsaugte. »Worum geht es denn eigentlich bei
diesem Krieg?«
Y’sul fuhr hektisch herum und hatte offenbar Mühe, seine
äußeren Sinnesregionen auf den Colonel zu richten.
»Worum es geht?«, fragte er verwirrt. Der Stopfen am Ende
des Rohrs war verbraucht und erlosch mit einem lauten Plopp. »Na
ja, Krieg gibt’s doch wohl, wenn zwei, äh, gegnerische
Gruppen von… äh… Leuten… äh… das
heißt, in diesem Fall von Dwellern, beschließen,
miteinander… hm… zu kämpfen.
Kämpfen! Ja, gewöhnlich weil irgendwas strittig ist,
und… und sie verwenden dazu Kriegswaffen, bis die eine oder
andere Seite – hab’ ich schon gesagt, dass es meistens nur
zwei Seiten sind? Ich glaube, das ist die übliche Zahl. So was
wie ein Quorum, könnte man sagen. Aber…«
»Ich habe Sie nicht nach einer Definition von Krieg gefragt,
Y’sul.«
»Nicht? Na schön. Ich dachte mir schon, dass es bei euch
so etwas wahrscheinlich auch gibt. Das ist wohl bei den meisten
Spezies so.«
»Ich wollte wissen, um welchen Streitpunkt es geht. Was ist
der Grund für den Krieg?«
»Der Grund?«, fragte Y’sul überrascht und
rotterte in seiner Sitzgrube so weit wie möglich zurück.
Ein neuer Schauer durchlief das Schiff, und eine weitere Salve raste,
diesmal von zwei Seiten, dem fernen Ziel entgegen. »Nun«,
sagte er und schaute zerstreut den tanzenden Granatenpunkten mit den
Gasschwänzen nach. »Nun, einen Grund gibt es ganz
sicher…« Er verfiel in unverständliches Gemurmel.
Hatherence lehnte sich mit einem Seufzer in ihrem Sitz zurück.
Sie hatte wohl eingesehen, dass sie kein weiteres vernünftiges
Wort aus ihm herausbekommen würde, solange er an dem Stopfrohr
zog.
- Die Formalkriege der Dweller sind wie Duelle in großem
Stil, erklärte Fassin. Der Colonel drehte sich ein wenig in
seine Richtung. – Im Allgemeinen geht es um eine
ästhetische Streitfrage. Oft sind sie das letzte Stadium eines
Planetenplanungsstreits.
- Planetenplanung?
- Häufig kommt es zum Krieg, weil man sich nicht über
die Zahl der Gürtel und Zonen einigen kann, die ein Planet haben
sollte. Dann stehen sich gewöhnlich Gerade und Ungerade
gegenüber.
- Planetenplanung?, wiederholte der Colonel, als hätte
sie das Wort nicht richtig verstanden. – Ich hätte nicht
gedacht, dass Gasriesen, nun ja, geplant würden.
- Die Dweller behaupten, sie könnten die Zahl der
Bänder eines Planeten verändern, sie brauchten nur
ausreichend lange Zeit dafür. Man konnte sie bisher nie
zuverlässig dabei beobachten, aber das hindert sie nicht, die
Behauptung aufrecht zu erhalten. Es geht ohnehin nicht um die Aktion
an sich, sondern um das Prinzip. In was für einer Welt wollen
wir leben? Das ist die Frage.
- Gerade oder ungerade?
- Genau. Ein Formalkrieg bringt einfach die
Entscheidung.
Wieder eine Salve. Diesmal wurde das Schiff heftig
durchgeschüttelt, und als der durchdringende Knall folgte,
schrien einige der Sklavenkinder kurz auf. Wieder rasten auf allen
Seiten die Gasspuren über den Himmel, und vor ihnen bildeten die
Gaszöpfe einen kegelförmigen Himmelstunnel.
- Kriege werden auch geführt, wenn man sich nicht einigen
kann, welcher GasClipper bei einem Renner welche Wimpelfarbe tragen
soll.
- Deshalb ein Krieg? Hatherence schien aufrichtig entsetzt.
– Haben die Leute hier noch nie etwas von einem Komitee
gehört?
- Oh doch, es gibt Komitees, Versammlungen und
Schlichtungsverfahren. Mehr als genug sogar. Aber Dweller dazu zu
bringen, eine Entscheidung zu akzeptieren, die ihnen gegen den Strich
geht, auch wenn sie zuvor bei ihrem Leben geschworen haben, sich
daran zu halten, ist auf allen Welten schwierig. Deshalb schwelen
Kontroversen weiter. Der Formalkrieg ist für die Dweller so
etwas wie ein Oberster Gerichtshof, ein höchstes Tribunal. Dazu
muss man wissen, dass sie nicht über ein stehendes Heer im
eigentlichen Sinn des Wortes verfügen. Zwischen den
Kriegen kümmern sich Liebhaber oder Amateurclubs um die
Panzerkreuzer und die sonstige militärische Ausrüstung.
Auch nach Ausrufung eines Formalkriegs passiert nichts weiter, als
dass die Clubs größer werden, weil nun auch
gewöhnliche Sterbliche beitreten. Die Clubs unterscheiden sich
im Auftreten und in der Sprache nicht von Militärbehörden,
wie Sie oder ich sie kennen, aber sie haben keinen
Rechtsstatus.
Der Colonel schüttelte sich vor Abscheu. – Ist das
nicht
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