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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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vier Jahren war sie in dieser Stadt, machte aber nicht den Eindruck, ein Taiwanfan oder auch nur eine Asienbegeisterte zu sein. Sie lebte allein, und das war sicher die beste Nachricht. Offenkundig war sie in erster Linie an Gehirnen interessiert. Sie versuchte, ihnen auf die Schliche zu kommen, ihr eigentliches Wesen zu durchschauen.
    Nun, ihre Aufgabe in diesem Spital war weniger, Hirne zu erforschen, als sie zu reparieren. Aber zum Reparieren gehört natürlich eine gewisse Kenntnis des Objekts, das da instand gesetzt werden soll. – Es gefiel mir, wie diese Frau über die rätselhafte Schaltzentrale in unser aller Köpfe redete. Liebevoll, aber kritisch. Wie man vielleicht über einen Schurken spricht, den man jedoch bewundert. Einen genialen und eleganten Gauner. Einen, der auch tötet, aber immer aus gutem Grund.
    Wobei sie, die Frau Dr. Senft, ursprünglich von der Psychologie herkam, weshalb ihr einige der jüngsten überraschenden Ergebnisse der Hirnforschung nicht ganz so überraschend erschienen. Sie wußte schon länger, daß das Hirn in der Lage ist, eine Unwahrheit so lange zu wiederholen, bis sie einem als Wahrheit erscheint.
    Sie drückte es so aus: »Der Rechner da in unserem Kopf tut alles, um uns das Leben erträglich zu machen. So viel Häßliches wir meinen aushalten zu müssen, kann man trotzdem sagen, das Gehirn ist ständig damit beschäftigt, eine traurige Realität zu verbergen. Es idealisiert, wo es kann. Das Gehirn ist ein Künstler und neigt zur Apotheose. Es ist religiös, aber nur der Ästhetik wegen. Es geht in die Kirche, um die Kirche auszumalen, nicht um zu beten. – Ich hoffe, Sie können mir folgen.«
    »Aber klar«, sagte ich, während ich ihr Augenpaar studierte, den Farbton von Karamel, um jetzt nicht von fossilem Harz zu sprechen, dazu die schwarzen, ausladenden Wimpern, an denen die Lider schwer zu tragen schienen, und sah die Müdigkeit, die in diesen Augen einsaß und sie noch schöner machte, als wenn sie frisch und ausgeruht gewesen wären. Ich war mir da ganz sicher: wie sehr Erschöpfung einen Menschen hübscher machte. Wie ja auch so mancher Gegenstand erst als Antiquität seinen vollen Reiz entwickelt.
    Irgendwann durfte ich das Bett verlassen und mir in den Gängen des Krankenhauses sowie in einem kleinen, schattigen Innenhof die Beine vertreten. Dort traf ich Dr. Senft, froh darum, einmal nicht aus der Position des Liegenden zu ihr hochsehen zu müssen, sondern nun zu ihr hinunterschauen zu dürfen. – Ich weiß schon, es gehört sich nicht, so was zu sagen, weil auf eine Frau hinunterzuschauen sogleich als anmaßend gilt. Aber seien wir doch ehrlich: Man muß schon ein Hollywoodstar oder Multimillionär oder Modeschöpfer oder so sein, um als Mann ein Vergnügen dabei zu empfinden, zu einer Frau hochzusehen. Es lächelt sich als Mann einfach besser von oben nach unten, auch wenn die Angelächelte die eigene Chefin ist, eine Kapazität, überlegen oder schlichtweg anbetungswürdig. Man kann eben auch von oben nach unten beten. – Ich hoffe, man versteht mich.
    Jedenfalls tat ich genau das, als ich nun Dr. Senft über den Weg lief: Ich lächelte zu ihr hinunter, gar nicht weit, denn so viel kleiner war sie nicht, einen halben Kopf bloß, lächelte also bergab und fragte: »Darf ich Sie zum Abendessen einladen?«
    »Mein Gott, Herr Braun, Sie sind Patient!«
    »Und Sie meinen, ein Patient darf seine Ärztin nicht …«
    Sie unterbrach mich und erklärte: »Ich wollte Sie nur daran erinnern, daß Sie sich weiterhin in Behandlung befinden und noch eine gewisse Zeit Ihre Restauranteinladungen auf die Krankenhausküche beschränken müssen. Ist nun mal so.«
    Ich atmete erleichtert auf und verabredete mich mit der Ärztin meines Vertrauens zum Abendessen in der Kantine.
    Dinner um siebzehn Uhr.
    Sicher, der Ort war nicht romantisch, unser Gespräch erstmals stockend. Wobei ich den Umstand des Stockens dahingehend interpretierte, daß sich zwischen uns, wie man so sagt, etwas tat.
    Ich erzählte von der Firma, für die ich arbeitete, und in welchen Funktionen. Profanes Zeug. Während ich aber sprach und dabei zusah, wie sich Dr. Senft langweilte, stellte ich sie mir nackt vor. Ihren mittelgroßen, kompakten, festen Körper. Wahrscheinlich war alles fest an ihr, auch der mittelgroße Busen, der den weißen Stoff ihres Ärztekittels straffte.
    Richtig, ich hatte nicht vergessen, drüben in Europa, in Köln, wo ich lebte, eine Verlobte zu haben. Sie schrieb mir alle

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