Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
Farrells Stimme klang blechern. »Sie werden mir doch nicht sagen wollen …«
»Nein. Er hat nur ihre Kinder bedroht, weil ihm so was ja einen Kick gibt. Und jetzt sagt sie natürlich, dass sie nicht mehr gegen ihn aussagen wird. Es wird eine schwere Geburt, sie vom Gegenteil zu überzeugen.«
»Vielleicht wenn sie weiß, dass er wieder im Gefängnis ist …«
»Das ist auch meine Hoffnung. Hat Vi denn gesagt, wie lange sie für den Einsatzbefehl braucht?«
»Sie sagt, sie muss ihre Truppen noch zusammenziehen. Sie sind zwar in Alarmbereitschaft, aber einige von ihnen waren offensichtlich schon nach Hause gefahren. Darüber hinaus wollte sie herausfinden, wo Ro hinfährt. Sie geht davon aus, dass er nach Hause will.«
»Sie geht davon aus?«
»Zurzeit ist er jedenfalls auf der 19th Avenue und scheint sich in diese Richtung zu bewegen. Haben Sie eine bessere Idee?«
»Nein, wüsste nicht.«
»Aber?«
»Nichts aber.« Glitsky hatte nicht vor, seine Chefin zu kritisieren, die sich trotz aller Repressalien bedingungslos hinter ihn gestellt hatte. Aber innerlich wurmte es ihn doch, dass sie nicht auf die Idee gekommen war, eine Zivilstreife auf Ros Auto anzusetzen, nachdem er wieder die Stadtgrenze passiert hatte. Doch wie Glitsky – und vielleicht mehr noch als er – hatte sie vermutlich Budgetprobleme, die alle außerordentlichen Aktivitäten verhinderten. »Ich wünsche mir nur, dass er aus dem Verkehr gezogen wird.«
»Es sollte in ein paar Stunden über die Bühne gegangen sein«, sagte Farrell.
»Lieber früher als später.«
»Wollen Sie Vi anrufen und ihr das sagen?«
»Nein«, sagte Glitsky. »Ich glaube kaum, dass das hilfreich wäre.«
Jon Durbin war in der letzten Nacht gerade nach Hause gekommen, als er sah, wie sein Vater aus der Einfahrt der Novios ausparkte. Er hatte sich gewundert, was sein Vater zu dieser späten Stunde noch zu erledigen hatte, und war ihm einfach nachgefahren – durch den Golden Gate Park, dann auf der Geary Street runter nach Laguna, schließlich gen Norden zur Chestnut Street, wo er seinen Wagen parkte.
Jon parkte seinen Wagen einen halben Häuserblock hinter ihm und beobachtete, wie sein Vater zu einem großen Apartmentkomplex an der Ecke ging, klingelte und drinnen verschwand.
Jon folgte ihm eine Minute später und warf einen Blick auf die Briefkästen an der Wand. Als er den Namen Sato sah, wollte er es zunächst nicht glauben – bis dann die Gewissheit blitzartig einschlug. Seine Hand fuhr zum Magen hinunter, doch er konnte nicht mehr verhindern, dass er sich noch vor der Haustür übergab.
Sein Vater und Liza.
Wie widerlich, wie ekelerregend, wie gottverdammt plump.
Glaubte sein Vater wirklich, mit dieser Nummer durch kommen zu können? Glaubte er allen Ernstes, es nur mit gutgläubigen Volltrotteln zu tun zu haben?
Er hatte sich nicht in der Lage gefühlt, im Anschluss wieder nach Hause zu fahren, sondern hatte bei seinem besten Freund Rich übernachtet und war von dort aus, völlig übernächtigt und ungewaschen, am nächsten Morgen zur Schule gefahren.
Den ganzen Tag aber hatte es in ihm gebrodelt, und das schwarze Loch in seinem Inneren war immer größer geworden, bis er sich dafür entschied, die offene Konfrontation zu suchen. Um kurz vor fünf, gerade als der große Regen einsetzte, war er zum Haus der Novios zurückgefahren.
Was er dort tun wollte, war ihm auch nicht so recht klar. Aber irgendetwas musste passieren.
Als er ins Haus gekommen war, hatte er sich Tante Kathy gegenüber nicht weiter erklären müssen: Wie alle anderen – außer seinem gottverdammten Vater! – war sie noch immer am Boden zerstört und kaum ansprechbar. Er ging zum Schlafzimmer hoch, das er mit Peter teilte, stellte sich unter die Dusche, zog ein paar frische Klamotten an, legte sich aufs Bett und schloss die Augen.
Als sein Bruder eine halbe Stunde später eintraf, schlug er sie wieder auf. »Hey.«
»Wo hast du denn gesteckt?«
»War bei Rich. Bis auf letzte Nacht. Weißt du, was ich gestern Nacht getan habe?«
»Wen soll das schon interessieren?«
»Es wird dich interessieren. Ich bin Dad nachgefahren.«
»Wann?«
»Als er gestern Nacht das Haus verließ. Weißt du nicht mal das?«
Peter schüttelte den Kopf. »Ich hab früh gepennt. Du bist ihm nachgefahren? Warum? Wohin?«
»Weil ich wissen wollte, wohin er mitten in der Nacht wollte. Und rat mal, wo es ihn hinzog – zu Liza Satos Apartment.«
Die Information erwischte Peter auf dem falschen Fuß.
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