Der Attentäter - The Assassin
eine der vielen Pfützen zu treten. Einen Augenblick später war er von den Personenschützern umringt und kaum noch zu sehen.
In der Hotelhalle hatte Anita Zaid immer noch keinen passenden Platz gefunden, als die anderen Reporter plötzlich nach vorne drängten und lauthals Fragen stellten, die in dem anschwellenden Stimmengewirr kaum noch zu verstehen waren.
»Mist«, sagte Hoffman. »Komm endlich, setz dich in Bewegung …«
»Nein, wir bleiben hier.« Zaid fluchte leise, weil sie von der Entwicklung überrascht worden war. Trotzdem war sie entschlossen, das Beste aus der Situation zu machen. Sie brachte schnell ihre Frisur in Ordnung, strich ihre Bluse glatt und überprüfte das Mikrofon. »Der Countdown läuft, Tim. Wir schaffen das schon.«
Während Hoffman die Kamera hob, empfand Zaid jenes Gefühl eines kontrollierten Enthusiasmus, der sie in solchen Momenten immer packte. Fast automatisch strafften sich ihre Schultern, und sie blickte auf … Sie war völlig ruhig, von Kopf bis Fuß der konzentrierte Profi. Dies waren die Momente, die sie an ihrem Job am meisten schätzte, und als sie in die Kamera schaute und sich in Gedanken ihre Einleitungssätze zurechtlegte, wusste sie plötzlich wieder, warum sie den Beruf der Reporterin so liebte.
»Okay. Fünf, vier …«
Plötzlich wurde Hoffmanns Stimme durch ein dumpf grol lendes, zugleich durch die Mauern seltsam gedämpftes Geräusch aus dem ersten Stock übertönt. Zaid begriff nicht sofort, was passiert war, genau wie die anderen Reporter, die alle verwirrt nach oben blickten. Nur die Leibwächter des prominenten Besuchers reagierten sofort und zerrten ihn in Richtung Ausgang. Das Geräusch hatte fast wie ein Donner geklungen, nur nicht so in die Länge gezogen …
Dann kam die zweite Explosion.
Zaid blickte nach rechts, und vor ihren Augen spielte sich alles mit einer entsetzlichen Klarheit ab. Aus dem östlichen Treppenhaus schlug eine Feuersbrunst, die Penny Marshall, ihre Kameramänner und ein Dutzend Umstehende sofort verschlang. Zaid blieb keine Zeit zu reagieren. Die sengend heiße Druckwelle schleuderte sie in die Luft und verrenkte ihre Glieder auf eine Weise, die die Natur nicht vorgesehen hatte.
Als sie auf dem Boden landete, schlug sie so unglücklich auf, dass etwas Scharfes ihren rechten Arm durchbohrte. Sie verlor kurzfristig das Bewusstsein, und als sie wieder zu sich kam, empfand sie Qualen, für die Schmerz nicht mehr das richtige Wort war.
Doch schlimmer als die Verletzungen und Qualen war, was sich vor ihren Augen abspielte. Aus irgendeinem Grund hörte sie nichts mehr, stummfilmartige Szenen spulten sich vor ihrem Blick ab wie ein Albtraum. Blutende Arme mit zerfetzten Händen reckten sich in die Luft, Münder öffneten sich zu stummen Schreien … Die in Flammen stehenden Körper derer, die in der Nähe des gegenüberliegenden Treppenhauses gestanden hatten …
Es war zu viel für sie. Zu viel, zu plötzlich. Auch ihr Mund
öffnete sich vor Entsetzen und Schmerz, doch der Schrei blieb ihr in der Kehle stecken. Sie schloss die Augen, um nichts mehr sehen zu müssen, doch es war zu spät - die Bilder hatten sich bereits unauslöschlich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Und als hätte das noch nicht gereicht, meldete sich in ihrem Unterbewusstsein ein nagender Gedanke, der ihr den ganzen Ernst der Lage deutlich machte.
Dann war der Schmerz urplötzlich verschwunden.
Die Erkenntnis überkam sie mit der Wucht einer alles verschlingenden Welle. Kein Schmerz, keine Überlebenschance. Sie hatte keine Ahnung, woher dieser Gedanke kam, aber in ihrem Kopf hallten in entsetzlicher Monotonie immer die gleichen Worte wider: Kein Schmerz, keine Chance. Kein Schmerz, keine Chance. Kein Schmerz …
Verzweifelt sehnte sie sich danach, etwas zu empfinden, irgendetwas , doch die Bilder vor ihren Augen begannen bereits zu verschwimmen. Bevor sie die Finsternis überkam, fragte sie sich noch, ob wirklich überall um sie herum immer schwerere Trümmer aus Stein und Marmor auf den Boden schlugen, oder ob es nur eine auf ihre Panik zurückgehende Halluzination war.
Nach ein paar Sekunden war niemand mehr auf den Beinen. Leichen lagen am Boden, verkohlte Körper, umzüngelt von orangefarbenen Flammen. Zaid versuchte, die Arme zu bewegen, den Blick auf den Ausgang gerichtet, doch ihre Glieder gehorchten ihr nicht mehr.
Dann spürte sie plötzlich einen scharfen Druck im Genick, und sie wurde endgültig von der Finsternis
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