Der Attentäter - The Assassin
aufgefallen war, nachdem sie das Schloss geknackt hatte. Aber sie hatte die Zeitung schnell auf die andere Seite gedreht, denn die Schlagzeilen verkündeten schwer erträgliche Neuigkeiten. Vor zwei Tagen war Izzat al-Douri an einem Grenzübergang in der Provinz Al Anbar erschossen worden, zusammen mit Tahir Jalil Habbush al-Tikriti, dem ehemaligen Chef des irakischen Geheimdienstes.
Yasmin Raseen hatte die beiden Männer seit vielen Jahren gekannt, al-Douri schon seit Kindertagen. Obwohl sie keine Tränen vergossen hatte über den Tod der beiden, empfand sie doch das merkwürdige Gefühl eines Verlusts. Da die beiden
im Leben ihres Vaters eine Rolle gespielt hatten, waren sie auch Teil ihres eigenen, und mit ihrem Ende fühlte sie sich etwas einsamer auf dieser Welt. Und es gab noch einen anderen Aspekt; seit der Festnahme ihres Vaters in Tikrit und dem Verlust des verbleibenden Geldes, das er vor dem Fall Bagdads persönlich aus der Zentralbank mitgenommen hatte, war al-Douri ihr großzügigster Gönner gewesen, und nun stand sie nur noch mit sehr bescheidenen Mitteln da. Obwohl al-Douri bisher öffentlich noch nicht mit den jüngsten Fällen in Bagdad, Paris und New York in Verbindung gebracht worden war, bestand für sie kein Zweifel daran, dass er und al-Tikriti von den Amerikanern getötet worden waren.
Während sie darauf wartete, dass Jonathan Harper zurückkam, begannen ihre Gedanken zu wandern, und es dauerte nicht lange, bis sie an Will Vanderveen denken musste, was alles andere als überraschend war. Im Laufe der letzten Wochen hatte er sie immer wieder beschäftigt, tagsüber und in ihren Träumen. Die Erinnerung an die Nacht im Hotel Victoria in Calais war besonders prägnant. Es war eine seltsame Episode gewesen. Seine Gewalttätigkeit hatte etwas in ihrem Inneren entzündet, das sie lange zu verdrängen versucht hatte. Das Erlebnis hatte ihr so viel gebracht, als emotionale und körperliche Erfahrung. Er war einer der faszinierendsten Männer, der ihr je begegnet war, absolut kalt und ohne Mitleid. Und doch hatte sie während dieser wenigen intimen Momente darunter so etwas wie menschliches Mitgefühl erahnt. Noch immer konnte sie kaum glauben, dass er tot war, und obwohl er seinen Plan nicht verwirklichen konnte, würde etwas geschehen, von dem er nie erfahren würde. Etwas Großartigeres, als es die Verwirklichung seines Plans gewesen wäre.
Unter dem Pullover strichen ihre warmen Hände über die
weiche Haut ihres Bauchs, und sie dachte lächelnd an das Baby, das sie zur Welt bringen würde. Mit ihren achtunddreißig Jahren hatte sie geglaubt, dieses Thema sei für sie erledigt und sie müsse einen anderen Weg finden, um ihre innere Leere zu füllen. Und doch sah es jetzt so aus, als sollte sie die Chance bekommen, nach der sie sich immer gesehnt hatte.
Für viele Jahre würde sie keine anderen Entscheidungen treffen müssen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte, aber sie konnte nicht umhin, sich die Frage zu stellen, was sie dem Kind später über ihren Vater erzählen sollte. Die Wahrheit? Oder irgendeine plausibel klingende Geschichte, in der sie die Ereignisse auf eine akzeptable Weise verfälschen würde? Sie glaubte nicht, dass ihre Fantasie dafür ausreichte, denn nichts von dem, was sie getan hatte, war auf irgendeine Weise akzeptabel. Bisher hatten ihre Taten sie nie beunruhigt, doch jetzt musste sie sich fragen, ob es nicht an die Zeit war, dieses alte Leben hinter sich zu lassen.
Sie würde darüber nachdenken, doch erst musste sie noch etwas erledigen. Rache nehmen. Durch die Schneeflocken auf der Windschutzscheibe sah sie, wie sich in der Ferne aus dem frühmorgendlichen Zwielicht eine Gestalt löste. Harper lief mit regelmäßigen Schritten über den Bürgersteig, seine Schultern hüpften auf und ab. Kurzeitig war er wegen eines Schneegestöbers nicht zu sehen, dann tauchte er wieder auf.
Ohne Harper aus dem Auge zu lassen, zog Nouri Hussein die Beretta unter der Zeitung hervor und schob sie unter ihre Jacke. Dann öffnete sie die Tür und stieg aus.
Der Läufer kam näher, nichts ahnend, und wegen des dicht fallenden Schnees war der Tagesanbruch kaum wahrnehmbar.
Danksagung
Ich danke Kristine Murphy von Wood TV in Grand Rapids, Michigan dafür, dass sie all meine Fragen zum Thema Live-Berichterstattung beantwortet hat. Dank an Pete Pagano und alle vom Tir Na Nog Irish Pub in Raleigh, North Carolina, die im März 2006 eine großartige Buchpräsentation für mich
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