Der Aufstand
sich weiter mit gesenktem Kreuz von ihr weg.
Alex rappelte sich auf und stolperte durch den Türbogen in den hallenden Korridor. Ihre Schritte wurden schneller, und sie rannte und rannte durch die geheimen Gänge des Schlosses, bis sie jede Orientierung verloren hatte. Während sie durch die Dunkelheit taumelte, drangen merkwürdige Laute aus ihrer Kehle. Laute, die sie seit über hundert Jahren nicht mehr von sich gegeben hatte.
Sie weinte.
[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 85
W ährend Stone durch die Gänge rannte, verfluchte er Lillith dafür, dass sie ihn allein gelassen hatte. Er rief nach seinem Ghul. Lonsdale kam hinter einer Gardine hervor.
«Warum verstecken Sie sich da?», schrie Stone ihn wütend an. «Ihre Aufgabe ist es, mich zu beschützen, und nicht, sich wie eine Ratte zu verkriechen. Gehen Sie zurück und töten Sie den Menschen.»
Lonsdale schluckte. Er sah ziemlich blass aus. «Und wie soll ich das machen?»
«Zachary hat eine Schusswaffe», blaffte Stone. «Selbst Sie können doch wohl mit einer Schusswaffe umgehen, oder?»
Sie hasteten in einen Flur und sahen Zachary über die große Treppe auf sie zurennen. In der Hand hielt er den Revolver aus seinem Zimmer. Die glänzende, langläufige . 357 Magnum sah geradezu winzig aus in seiner Faust. Stone nahm ihm die Waffe ab.
In diesem Augenblick erschien Lillith in der Tür hinter ihnen. Sie hatte schwarze Ringe um die Augen und war unsicher auf den Beinen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich; offenbar litt sie unter Atemnot.
«Er kommt. Er ist dicht hinter mir.»
Zachary riss entsetzt die Augen auf und rannte zu einem Fenster, von dem aus man die Außenmauer sehen konnte.
«Ich hau ab», stieß er mit kratziger Stimme hervor. Dann holte er mit seiner gewaltigen Faust aus, zerschlug die Scheibe, zwängte sich durch das gezackte Loch und verschwand in die Nacht.
Stone und Lillith wollten ihm gerade folgen, als sie beide zugleich die lähmende Kraft der Kreuzes spürten. Lillith kippte vom Fenster zurück, schlug die Arme um den Körper und begann panisch zu kreischen. Stone wirbelte herum und sah Joel Solomon auf sie zuhumpeln. Er packte Lilliths Arm und rannte schwankend los. In seiner Hast stieß er dabei einen Tisch um und zerbrach eine Vase.
«Hilf mir, Ghul!», schrie er und warf Lonsdale die Waffe zu. Der aber starrte Joel nur entsetzt an und folgte hastig seinem Herrn. Die Vampire rannten durch eine Tür auf die obere Festungsmauer der Burg. Ein schmaler Laufgang führte am Rand der Mauer entlang zu einem runden Turm, von dem aus man einstmals nach feindlichen Armeen Ausschau gehalten hatte. Hinter der Festungsmauer stürzte die Felswand fast senkrecht in die Nacht.
Lillith schrie auf. Der Mensch war hinter ihnen auf die Mauer getreten.
Joel wusste nicht, wie lange er noch durchhalten würde. Doch obwohl vor seinen Augen ein schwarzer Schleier zu schweben schien, blieb ihm nicht verborgen, dass die Vampire verzweifelt versuchten, auf der Festungsmauer zu entkommen. Nur einer von ihnen schien nicht von der allgemeinen Panik erfasst – der abgezehrte Mann mit dem wilden Blick, den Gabriel Stone hinter sich fest umklammert hielt wie einen Schutzschild. Sein Gesicht kam Joel bekannt vor, aber durch den Nebel seiner Schmerzen und seiner Übelkeit konnte er es nicht einordnen. Selbst den großen, schweren Revolver in der Hand des Mannes registrierte er kaum.
Als er hinter ihnen auf die Festungsmauer schwankte, hätte ihn der beißende Wind fast umgerissen. Er fing sich und trat einen weiteren Schritt auf sie zu. Sie zogen sich zu dem hohen runden Turm zurück. Er hatte sie in die Enge getrieben.
«Sie sind erledigt, Stone!», rief er laut, um das Brausen des Windes zu übertönen, und blinzelte sich die Schneeflocken aus den Augen. «Es ist vorbei!»
Er trat zwei weitere Schritte vor und hörte, wie die in Leder gekleidete Vampirin erneut gequält aufheulte, während sie sich verzweifelt an die Rückwand des Turms drückte.
Gabriel Stone schien vor Angst geschrumpft zu sein. Er stieß seinen Diener grob auf die Festungsmauer.
«Töte ihn! Erschieß ihn! Steh nicht einfach da rum, Lonsdale!»
Lonsdale schob sich vorsichtig an der Wand entlang, hob den Revolver und zielte mit zittriger Hand auf Joel.
«Bring ihn um!», brüllte Stone.
Alex hatte jede Orientierung verloren, aber dann spürte sie plötzlich die frische Nachtluft auf der Haut. Sie rannte aus dem gewundenen Gang und fand sich auf der hohen äußeren
Weitere Kostenlose Bücher