Der Auftrag
gewesen war, einen Räuberhauptmann darum zu bitten, auf seinen Raub zu verzichten.
»Du bist so schweigsam«, stieß Caelian ihn an, der sich zu Jaryn ins Zelt gesetzt hatte. »Woran denkst du? An deinen Sonnentempel?«
»Nein«, murmelte Jaryn, »an mein Versagen.«
»Ach, diese Holzköpfe! Ich war gleich skeptisch, als du sagtest, du wollest einen Gesetzlosen bitten. Aber dass mein Vater mit von der Partie ist …«
»Du bist also Achladier?«
»Ja.«
»Erzähle mir etwas über das Land hinter der weißen Wüste. Ich weiß nichts darüber.«
Caelian winkte ab. »Es gibt auch nicht viel zu erzählen. An einigen Wasserstellen haben sich Oasen gebildet, das sind kleine Dörfer, in denen etwas wächst. Sie sind im ganzen Land verstreut. Die Wüste holt sich immer mehr vom Land, der weiße Sand deckt alles zu wie bleiches Gebein. Es ist ein armes, aber sehr stolzes Land. Mein Vater ist der Fürst von Achlad, aber das bedeutet nicht viel, weißt du. Er gebietet über etliche Männer, die immer wieder die Grenzen der Nachbarländer überfallen. Aus Not. Aber ich wollte fort von dem ewigen Kriegsgeschrei und Gebrüll und ihrer Vernarrtheit in Waffen und Gewalt. Ein Freund hatte mir vom Mondtempel in Margan erzählt, und was er mir erzählte, das hat mir gefallen. Da bin ich mit ihm gegangen, und mein Vater war erleichtert, dass er mich los war.«
»Dann sind die Schwarzen Reiter auch weiter nichts als Räuber? Wie Rastafan?«
Caelian nickte. »So ist es. Was hast du denn gedacht?«
»Ach, nichts weiter. Man erzählte sich Schauergeschichten von ihnen, um die kleinen Kinder zu schrecken.«
Caelian bettete sich unbekümmert auf die Schaffelle und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Er blinzelte Jaryn zu. »Sei nicht so verdrießlich. Uns passiert hier nichts. Es kann höchstens ein bisschen langweilig werden. In der Zwischenzeit könnten wir doch miteinander Freundschaft schließen, was meinst du?«
Jaryn sah den lustigen Krauskopf an. Wieder musste er ein Vorurteil aufgeben, das Vorurteil gegen den Mondtempel. Wenn sich jemand wie Caelian dort wohlfühlte, konnte es nicht so schrecklich dort sein. Aber da gab es noch diesen Gaidaron. Eine gute Gelegenheit, mehr zu erfahren. »Ich dachte, wir wären bereits Freunde«, entgegnete er warm. »Aber ich muss gestehen, ich weiß nicht viel über euch.«
»Diese Feindschaft zwischen den Tempeln meinst du? Sie besteht schon seit langer Zeit, und niemand weiß, wie es angefangen hat, sagt Suthranna. Mit der Zeit haben sich die Bräuche und Anschauungen so weit voneinander entfernt, dass es keinen Weg mehr zueinander gab. Und doch sind beide für das Land unentbehrlich. Sie halten es im Gleichgewicht, nehme ich an.«
»Sagischvar meint«, sagte Jaryn nach einigem Zögern, »die Sonnenpriester seien dabei die wesentliche Macht, die höhere und reinere.«
»Natürlich«, nickte Caelian, »das sagen unsere Priester auch von sich. Im Grunde ist es doch lächerlich, oder?«
Jaryn starrte auf seine Zehen, die unter den schmutzigen Sandalen hervorlugten. Wie hätte er noch vor zwei Monaten so ein Schuhwerk an sich geduldet? »Vielleicht ist es wirklich lächerlich, aber erwarte nicht, dass ich das zugebe. Ich müsste sonst alles, was mein Leben ausmacht, verleugnen.«
»Unsinn. Der Sonnentempel macht nicht dein Leben aus. Wer hat dir denn das eingeredet? Was dein Leben ausmacht, bestimmst du allein. Im Moment wird es von diesem Räuberlager bestimmt. Morgen vielleicht schon von einer Reise oder einer neuen Liebschaft. Das Leben ist bunt, Jaryn.«
Jaryn hätte ihm gern recht gegeben, aber er fürchtete sich vor dem ganz großen Schritt in die scheinbar so sorglos Welt Caelians. Wenn der Sonnentempel nicht mehr seine Heimat wäre, wohin sollte er gehen? Was für eine Bedeutung besaß er dann noch? Um diese Selbstzweifel mit Caelian zu erörtern, stand dieser ihm noch nicht nahe genug. »Du vergisst, was ich dem Tempel schulde«, wich er aus. Ich bin eine Waise und wuchs bei einem alten, armen Mann auf. Mich erwartete ein Leben in Knechtschaft, doch Sagischvar nahm mich als Novize auf.«
Caelian starrte ihn verwundert an. »Das hat es noch nie gegeben. Du musst etwas ganz Besonderes sein!«
»Bis jetzt hielt ich mich dafür«, erwiderte Jaryn bitter. »Doch nun weiß ich, dass ich überhaupt nichts tauge. Ich stelle nur etwas dar, wenn ich mir den goldenen Priesterrock überstreife und die heilige Kette mit dem Feuerauge trage. Unter dem heiligen Gewand gleiche ich
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